Schlagwort-Archive: Handwerker

Handwerker

Den Hafentag in Lagos nutzen wir, um unseren Motor mal wieder etwas zu pflegen. Da wir nun doch einiges an Strecke mit Motorunterstützung zurückgelegt haben, steht mal wieder ein Ölwechsel auf dem Programm. Außerdem wollen wir den Öldruck kontrollieren lassen. Wir haben das Gefühl, dass unser altes Instrument, welches diesen Zweck erfüllen soll, zu wenig Druck für einen frisch revisionierten Motor anzeigt. Vermutlich liegt diese Unstimmigkeit jedoch an dem im Zuge der Revision getauschten Geber, bzw. einer Inkompatibilität des Gebers zum Instrument und nicht am Druck selbst. Die Werft hier in Lagos wird im Hafenhandbuch sehr gelobt und als wir dort vorstellig werden, sagen sie uns zu, gleich nach der Mittagspause jemanden bei uns vorbei zu schicken.

Gerade haben wir das alte Öl abgelassen, frisches aufgefüllt und den Peilstab zwecks Kontrolle in der Hand, da klopft es am Boot. Wir werden auf Deutsch gegrüßt. Ganz überrascht wenden wir uns unserem in blau gekleideten Besucher zu, den wir für den erwarteten Mechaniker halten. Bisher haben wir noch nicht erlebt, dass ein Handwerker auf unserer Reise deutsch gesprochen hätte.

Doch es klärt sich schnell, dass es sich bei dem netten Herren nicht um einen Mitarbeiter der Werft handelt, sondern um einen britischen Langfahrtsegler, der in seinem „früheren Leben“ Deutschlehrer gewesen ist. Das Gesprächsthema dreht sich trotzdem um die hiesigen Handwerker. Auch an seinem Boot stehen kleinere Reparaturen auf dem Programm.

Unser Boot hat er sich ganz offensichtlich gezieht ausgeguckt. Da die Handwerker hier etwas teuer sein sollen, will er ein paar Kleinigkeiten an Bord selbst reparieren. In diesem Zusammenhang befindet er sich auf der Suche nach einer Stichsäge. Bei einem Blick durch die Marina war wohl unser Boot diesbezüglich am Vielversprechensten. Wir enttäuschen ihn nicht – ein Griff in den Werkschrank und wir können ihm unsere Stichsäge leihen. An Werkzeug herrscht bei uns an Bord nun wirklich kein Mangel. Auch wenn die Lorbeeren in diesem Punkte eigentlich unserem Voreigner Timm gebühren, der das Boot mit Werkzeug bestückt hat, so ist es nett wenn man im Hafen als der Kandidat ausgewählt wird, der bezüglich bestimmter Werkzeuge weiterhelfen kann.

Unser Mechaniker taucht dann am späten Nachmittag auf, hat gleich alles notwenige Werkzeug dabei und misst mechanisch unseren Öldruck. Wie erwartet zeigt unsere Anzeige zu wenig Druck an, um genau zu sein, etwa 3 bar weniger als tatsächlich vorhanden. Diese Werte passen nun auch zu einem frisch revisionierten Motor und wir können diese Unstimmigkeit abhaken.

elektrisch gemessener Öldruck
Öldruck elektrisch gemessen 3 bar
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
mechanisch gemessener Öldruck
Öldruck mechanisch gemessen 6 bar
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Flickenteppich

Noch immer warten wir auf unseren revisionierten Motor. Nachdem die im Maximum für den Rücktransport des Motors veranschlagten 4 Tage sich nun den 4 Wochen nähern, haben wir bereits angefangen, das Deck zu streichen. Gerne hätten wir damit gewartet, bis keine Handwerker mehr über unser Deck laufen müssen, doch der dringende Wunsch, mit einem gestrichenen Deck aus Rom absegeln zu können, hat gesiegt.

Wenn man, wie wir, mit dem Bug zum Steg hin liegt, ist es gar nicht so einfach, die zu streichenden Stellen richtig einzuteilen. Schließlich müssen wir mehrfach am Tag über das Deck nach vorn laufen, um unser Schiff verlassen zu können. So ist auf unserem Deck ein regelrechter Parcours entstanden und wir können beim Verlassen des Bootes einen Hindernislauf veranstalten. Teils haben wir an einem Tag die Backbord- am nächsten die Steuerbordseite gestrichen. Doch teils mussten wir das Deck auch in Rechtecke aufteilen, um die Stellen, die sonst von der Rettungsinsel, dem Dinghi etc. blockiert sind, zum Streichen freizubekommen. Dann heißt es wirklich aufpassen, wo man hintreten darf und wo nicht. Doch natürlich blieb es nicht aus, dass wir unsere Füße gründlich mit Aceton von frischer Farbe reinigen mussten.

Wir haben das Deck nun mit zwei Anstrichen vorgestrichen, um eine gute Grundlage zu schaffen. Der dritte und letzte Anstrich soll nun wirklich aber erst erfolgen, wenn der Motor wieder an seinem Platz ist. Das Ergebnis kann sich unseres Erachtens bereits jetzt sehen lassen.

Flickenteppich an Deck
Laufspur auf gestrichenem Deck
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
vorgestrichenes Deck
2. Voranstrich des Decks
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
aufgearbeiteter Doradelüfter
gestrichener und polierter Doradelüfter
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Heckansicht
gestrichenes Heck
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Stille Post im Quintett

Handwerker, soweit wir es bisher haben beobachten können, scheinen hier in Italien, wie auch in Griechenland, immer mindestens im Duo, meist sogar im Trio zu arbeiten. Ein typisches Arbeitsteam besteht z.B. aus einem Senior, der die Arbeiten beaufsichtigt, aber – außer ggf. einer Endkontrolle – nicht selbst Hand anlegt, einem erfahreneren Mitarbeiter, der die Arbeiten hauptsächlich ausführt und zum guten Schluss einem ungelernten „Hilfsbremser“, der untergeordnete Tätigkeiten ausführt, wie zum Beispiel Werkzeug anzureichen.

Das führt manchmal zu fast skurrilen Situationen. Wenn etwa die Arbeit nahezu beendet ist und quasi nur noch das letzte Schräubchen reingedreht werden muss, dann kann es passieren, dass das Werkzeug die Hände wechselt und die letzte Schraube vom Hilfsarbeiter reingedreht wird. Für uns eine ungewohnte Art zu arbeiten, etwa in der gleichen Effizienzklasse wie Ostfriesen beim Glühbirne wechseln.

Gesprochen wird mit uns als Auftraggeber typischerweise „entlang der Befehlskette“. Meist spricht nur der Senior mit uns und erteilt dann dem Mitarbeiter Anweisung, was zu tun ist, und dieser wiederum tut desgleichen mit dem Hilfsarbeiter. Das alles noch verbunden mit der typischen Sprachbarriere; Spanisch ist hier wesentlich hilfreicher als Englisch.

Die Werft hier hat einen kaufmännischen Chef, einen Dispatcher, der die Leute zur Arbeit einteilt, und dann natürlich das obligate Arbeitstrio. Wir hatten bei Ausbau des Motors noch nach einem Kostenvoranschlag für einige kleinere Arbeiten gefragt. Zwischenzeitlich waren fast alle der Beteiligten deswegen hier an Bord, teils auch mehrfach. Heute hat uns der Chef der Werft dann mitgeteilt, dass ein Kostenvoranschlag nicht erstellt werden könne, weil die benötigten Teile nach entstehendem Aufwand abgerechnet werden müssten. Wir waren etwas verwundert, weil es hautsächlich um Stahlarbeiten geht (Lippklampe schweißen), wo keine Ersatzteile in dem Sinne benötigt werden. Stellt sich heraus: Der Kostenvoranschlag, der nicht erstellt werden kann, bezieht sich auf Arbeiten, die wir auch  gar nicht in Auftrag geben wollen.