Windmagnet

Der nächste lange Schlag steht auf dem Programm. Alle Wettervorhersagen sind sich diesmal einig: die nächsten zwei Tage herrscht Ostwind. Gelegentlich soll dieser einen leichten südlichen Einschlag haben, aber im Prinzip ist Ostwind angesagt. Super für uns, deshalb wollen wir am Liebsten gleich bis Malaga bzw. Benalmadena segeln.

Mit kalkulierten 4 Knoten Fahrt die Stunde wären wir 41 Stunden unterwegs – so können wir uns mit dem Ablegen in Aguilas Zeit lassen und haben trotzdem genügend Puffer, um im Hellen anzukommen.

Nachdem wir Aguilas verlassen haben erwartet uns in der Tat guter Wind aus der richtigen Richtung. Wir setzen das Groß und die Fock und machen beinahe 6 Knoten Fahrt. Wenn das so bleiben würde, kämen wir sogar um eine zweite Nachtfahrt herum und würden Benalmadena noch am Vorabend in der Abenddämmerung erreichen können.

Doch wie so oft freuen wir uns zu früh und der Wind macht was er will. Noch vor dem Cabo de Gata dreht er wieder südlich und wir müssen zu viel Höhe kneifen. Bei jeder Wende, die wir fahren, um wieder etwas Abstand zum Kap zu gewinnen, scheint der Wind mit uns zu drehen. Kaum sind wir auf neuem Kurs, lässt sich dieser wieder nicht steuern, statt dessen scheint der alte Kurs wieder zu funktionieren. Nach drei Wenden haben wir die Faxen dicke und motoren um das Kap. Es wird bereits dunkel und bei  verringerter Sicht wollen wir an dem Kap keine Sperenzchen veranstalten. Sobald wir um das Cabo de Gata herum sind, sollten die Segel wieder stehen.

Wie schon beim Cabo de Palos passieren wir auch das Cabo de Gata mitten in der Nacht. Noch sind wir nicht richtig um das Kap herum, so dreht der Wind von Südsüdwest auf West, wieder genau gegen unseren Kurs. Anscheinend haben wir eine Art eingebauten Windmagneten. West war nun für heute überhaupt gar nicht vorhergesagt. Der Wind ist zwar wenigstens schwach und wir haben erstmal einen mitlaufenden Strom, der uns ein wenig schiebt, doch segeln können wäre uns allemal lieber.

Wir beobachten die Sache eine Weile. Noch machen wir mit 4,5 Knoten mehr Fahrt als ursprünglich kalkuliert. Doch im Laufe des Vormittags verringert sich unsere Fahrt auf 3,5 Knoten und der Gegenwind nimmt zu. Dieses Mal sind wir schlauer, hoffen wir zumindest, und entscheiden uns gleich für einen Alternativhafen, anstatt am ursprünglichen Plan festzuhalten. Marina del Este liegt noch etwa 40 Seemeilen vor unserem ursprünglichen Ziel Benalmadena und wir können den Hafen noch am späten Nachmittag erreichen. Beim Kurs nehmen Richtung Küste erleben wir erneut das gleiche Phänomen – der nächste Winddreher, wieder genau so, dass sich der direkte Kurs gerade nicht mehr segeln lässt. Wir hoffen, dass wir diese unkonstanten Winde bald hinter uns lassen können – Gibraltar ist ja quasi bereits in Sicht.

Puerto Marina del Este
Hafen von Marina del Este
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Schon von Weitem sieht der Hafen von Marina del Este eher klein aus und wir haben sicherheitshalber vorab nach einem Platz für unser Boot angefragt. Trotzdem müssen wir zuerst an den Wartesteg und bekommen erst dort einen Platz zugewiesen. Viele Liegeplätze für Gäste gibt es hier nicht. Der Hafen ist klein und eng, doch dafür malerisch schön, liegt in einer Art Kessel und ist von Hügeln umgeben. Die Aussicht ist mal wieder richtig toll. Hier lässt es sich sicher gut Abwarten, bis der Westwind vorüber ist. Spätestens am Sonntag Morgen soll der Wind wieder aus Ost kommen. Sagt die Wettervorhersage…

THO kokkino im Puerto Marina del Este
THO kokkino im Hafen von Marina del Este
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Ankerbucht Marina del Este
Ankerbucht bei Marina del Este
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Gelbe Seiten

Die Wettervorhersage für den heutigen Tag ist nicht günstig – wieder Wind direkt auf die Nase. Das wollen wir für unsere langen Schläge gern vermeiden. So nutzen wir die Ruhephase nach der letzten Nachtfahrt aus, um endlich unser Cockpit zu Ende zu streichen. Den Sitzbereich haben wir bereits zwischendurch klammheimlich gestrichen, doch die Cockpitseiten sowie der Boden alias die Motorraumabdeckung warteten immer noch auf ihren neuen Anstrich.

Sitzfläche im Cockpitt an Stb gestrichen CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Sitzfläche im Cockpit an Stb gestrichen
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

In der Hoffnung, dass ein gelblicher Farbton nicht ganz so schnell dreckig aussehen wird wie ein helles weiß, streichen wir die Seiten sowie den Boden in einem gelb- bis sandfarbenen Ton.

Als das letzte vorherige Grün unter der Farbrolle verschwindet, wirkt das gesamte Cockpit heller und einladender. Noch sind wir uns nicht ganz sicher, ob wir statt des Gelbtons nicht doch lieber weiß gewählt hätten, doch die nächsten Wochen werden uns bestimmt zeigen, ob unsere Rechnung mit dem sauber wirkenden Cockpit aufgehen wird oder nicht.

Beim Chillen abends im Hafenrestaurant ziehen dicke, finstere Wolken vor dem Mond vorbei. Ein eher seltener Anblick hier im Sommer, wo der Himmel meist wie leergefegt und wolkenlos ausschaut. Wir sind nun doppelt froh noch einen Tag hier verbracht zu haben.

Wolken vor dem Mond in Aguilas CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Wolken vor dem Mond in Aguilas
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Mond in den Wolken CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Mond in den Wolken
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Wenn der Wind bläst

Ob man Wind zum Segeln hat, kann man teils schon im Hafen erkennen. Wenn die Nationale am Heck des Stegnachbarn gegenüber gut ausweht, kann man draußen segeln. Wenn die Fallen am Mast klappern, weiß man, dass der Wind von der Stärke her gut ausreicht, aber (noch) nicht zu herausfordernd ist. Wenn der Wind aber an den Wanten und Stagen schon im Hafen pfeift, gibt’s draußen tüchtig auf die Mütze.

Der Real Club des Regatas in Alicante ist freundlich und angenehm (und verhältnismäßig günstig). Als schon am Morgen die Fallen tüchtig lärmen, entscheiden wir uns einen Tag länger zu bleiben. Meist frischt es hier tagsüber ja noch auf. Und die Wettervorhersage für die nächsten Tag ist auch günstig.

Beim Aufstehen am nächsten Tag, haben wir den vorhergesagten Wind aus  Ost/Nordost. Wir legen ab zu einem langen Schlag nach Garrucha vor dem Cabo de Gata. Als wir aus dem Hafen sind und Segel setzen, hat der Wind bereits leicht südlich gedreht. Wir müssen also am Wind segeln. Und weil wir viel Höhe kneifen müssen und der Wind auch nicht ausreicht, läuft der Motor mit. Wie leider zu oft. Vor dem Cabo de los Palos geht dann nichts mehr. Der Wind hat zu weit südlich gedreht. Die Fock muss runter und wir motorsegeln mit dem Groß als Stützsegel. So fahren wir mitten in der Nacht um das Cabo de los Palos, das unter anderem wegen vorgelagerter Flachs ein hervorragendes Revier für Wracktaucher ist.

Am nächsten Tag steht es leider nicht besser. Der Wind dreht erst auf Südwest – genau unser Kurs nach Garrucha. Kurz vor der Hafeneinfahrt frischt es mächtig auf. Jetzt pfeift es im Rigg. Und die Wellen sind mittlerweile auch nicht zu verachten. Das schlimmste ist – es hat genau auf Süd gedreht. In der Richtung ist der Hafen von Garrucha offen; es steht also jetzt Wind mit 25 Knoten und entsprechendem Schwell genau in die Hafeneinfahrt. Über UKW und Handy versuchen wir den Hafen zu erreichen. Niemand antwortet. Wir wissen nicht, ob der Hafen geschlossen ist und falls nicht, ob die Einfahrt überhaupt passierbar ist.

Entnervt drehen wir ab und steuern den 14 Meilen zurückliegenden Hafen Puerto Deportivo Aguilas an. Der Hafen ist künstlich angelegt, aber das stört uns nicht. Die Marineros sind freundlich und die Preise zivil. Und ein Hotelkomplex mit nur etwa 5 Stockwerken ist hier an der Küste ja schon fast idyllisch. Vor allem aber sind wir nach 31 Stunden Fahrt froh, sicher im Hafen zu liegen – und Schlaf nachholen zu können.

Hafen von Aguilas in der Abenddämmerung
Abenddämmerung im Puerto Deportivo Juan Montiel Aguilas
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln