Schlagwort-Archive: Nazaré

Flottes Trio

Heute soll es endlich losgehen. Bereits in der Nacht sind wir recht aufgeregt. Es ist nun doch schon eine Weile her, seit wir zuletzt die Leinen gelöst haben. Doch selbstverständlich ist auch ein gutes Maß an Vorfreude mit im Spiel, welche uns das Kribbeln im Bauch verursacht.

Nach dem Frühstückskaffee muss Stefan nochmals ins Marina Office, um noch die letzten offenen Fragen bezüglich Versicherung und Liegegebühren zu klären. Erneut muss er sich mit Personal herumschlagen, dass auf Emails nicht antwortet, auf direkte Fragen keine Antworten gibt, weil angeblich die Entscheidungskompetenz fehlt und zu guter Letzt nochmals Emails schreiben, damit zumindest auf der Gegenseite die Angelegenheit schriftlich vorliegt. So wird es vor dem Ablegen noch stressig, denn mit solchen Dingen will man sich da nun wirklich nicht mehr beschäftigen und Zeit hätte das Office im Vorhinein reichlich gehabt.

Roman und Ulrike fangen derweil an, unsere THO bereit zu machen zum Auslaufen. Die Segelkleider werden heruntergenommen, die Leinen auf Slip gelegt, die Straßenschuhe verstaut und die Wettervorhersage nochmals aktualisiert und geprüft. Alle Wetterdienste sind sich einig – wir haben für die nächsten 4 Tage südliche Winde mit Windstärken zwischen 3-4 Beaufort. Einfach ideal für uns.

Kurz vor Mittag kommt Peter von der SY Tanee bei uns vorbei und will wissen, ob wir vor dem Ablegen nicht noch einen Teller frische, selbstgekochte Lauchsuppe essen wollen. Seine Mutter Ruth, die mit ihm zusammen unterwegs ist, hat einen großen Pott gekocht und die beiden würden sich freuen, wenn wir noch auf einen Happen bei ihnen vorbei kommen würden. Da sagen wir natürlich nicht nein. Ein Teller heiße Suppe vor einem längeren Törn ist genau das Richtige.

So finden wir uns um 12 Uhr Mittags bei Ruth und Peter auf der SY Tanee ein. Wir sind nicht alleine. Die Segler im Hafen sind ebenfalls zu der Suppe eingeladen und wünschen uns alles Gute für unsere Reise nach Norden.

Kurz nach 13 Uhr lösen wir die Leinen in Nazaré, setzen noch im Hafenbecken, bevor wir mitten im Atlantikschwell sind, die Segel und setzen erst einmal Kurs West, um von der felsigen Küste freizukommen ins tiefere Wasser.

Wir umfahren eine Unzahl an Fischerbojen und setzen dann, mit einem guten Abstand zur Küste endlich Kurs Nord. Zu Beginn segeln wir etwa mit 5 Knoten und sind recht zufrieden. Die Welle ist okay, auch wenn sie direkt aus West kommt. Nach ein paar Stunden nimmt der Wind ein wenig zu und wir gewinnen an Fahrt. Teils springt unsere Logge auf über 7 Knoten, wir sind richtig flott unterwegs und das Segeln macht wirklich Spaß.

Roman, für den es die erste Teilstrecke mit uns ist, geht fleißig mit Ruder und steuert die THO von Anfang an, als würde er das Schiff schon ewig kennen. Wir segeln in die anbrechende Nacht hinein und wechseln und immer wieder am Ruder ab. Zu dritt an Bord bekommt jeder Gelegenheit, ein paar Stunden zu schlafen und als wir dann bereits um 7 Uhr morgens Leixoes querab haben, will keiner schon wieder in den Hafen. Kurzerhand segeln wir einfach weiter. Wir haben immer noch konstanten Wind, segeln mit über 6 Knoten nach Norden und genießen die Rauschefahrt.

Delfine im Atlantik
Delfine im Atlantik
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Wir bereuen die Entscheidung, einfach weiter zu segeln nicht, denn bald bekommen wir nette Gesellschaft. Eine Delfinschule begleitet uns, taucht immer wieder unter unserem Rumpf hindurch und wir können uns gar nicht daran satt sehen, den anmutigen, flinken Tieren bei ihrem Spiel zuzusehen. Ein wirklich schöner Anfang…

Begleitung durch Delfine
Begleitung durch Delfine
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Abschied von Nazaré

Vor zwei Tagen haben wir unser Schiff wieder zu Wasser gelassen und sind vom Boatyard in die Marina umgezogen. Dort haben wir uns für die letzten Tage in Nazaré ein Plätzchen vor der SY Capella Endeavour ausgesucht. Die SY Capella Endeavour gehört einem netten Pärchen von den Orkney Islands. Das Schiff sieht dem unseren zumindest farblich sehr ähnlich, fast wie großer Bruder und kleine Schwester.

THO kokkino im Kran
THO kokkino im Travel-Lift in Nazaré
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
SY Capella Endeavour und SY THO kokkino
SY Capella Endeavour und SY THO kokkino in Nazaré
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Das Wochenende ist für uns angefüllt mit Aufräumarbeiten, stauen, Vorräte nachbunkern und Chaos beseitigen. Roman, unser neuer Mitsegler, ist auch nicht untätig. Er steigt in den Mast und überprüft unseren Windex. Dieser liefert einfach keine Informationen mehr an die Navigationsgeräte. Doch mit viel Öl bringen wir den Windex wieder auf Touren. Wir scherzen, dass der Windex nun wahrscheinlich bei eintretender Windstille noch bestimmt 5 Minuten nachlaufen würde, so sanft und rund läuft das gute Stück wieder.

Dody beim Feiern
Dody feiert bei Luis in Nazaré
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Am späten Nachmittag steht dann eine kleine Party auf dem Programm. Dody von der SY Tonga hat Geburtstag, was gebührend gefeiert werden will. Zugleich ist es ein Abschied für uns. Alle Segler sind nochmals gemütlich beisammen. Wir sitzen bei Luis in seinem Hafencafé bei Bier und Musik und genießen die Sonne. Da kommt fast ein bisschen Wehmut auf, nun an das Absegeln zu denken. Doch ab Dienstag ist konstanter Südwind angesagt, möglicherweise der letzte für das gesamte Frühjahr/Sommer. Wir sind froh, dass wir nach all den notwendig gewordenen Reparaturen überhaupt noch Südwind bekommen, denn eigentlich ist die Zeit für Südwind in Portugal bereits vorüber.

Abschiedsfeier in Nazaré
Feiern bei Luis im Hafen von Nazaré
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

So genießen wir also unser letztes gemütliches Beisammensein in Nazaré, lassen den Winter ausklingen. Für morgen ist nochmal Aufräumen angesagt – es ist wirklich unglaublich, was sich alles so ansammelt und seefest verstaut werden will, wenn man ein paar Monate im Hafen gelebt hat. Am Dienstag soll es dann endlich wieder weitergehen für uns Richtung Porto – ein langer Schlag von 110 Seemeilen.

Wir werden Nazaré als einen netten Ort in Erinnerung behalten, an dem wir viele liebe Menschen kennengelernt haben. Es waren tolle Abende am Strand, viele gemeinsame Essen an Bord, gemeinsames Arbeiten an Booten, gute Tipps und Hilfeleistungen und schöne Ausflüge in und um Nazaré. Byebye Nazaré.

Zuwachs

Neuigkeiten: Wir haben das mit dem Kinder kriegen etwas abgekürzt und gleich einen jungen Mann adoptiert, der zumindest aus dem Gröbsten bereits heraus zu sein scheint.

Roman ist 25 und bereits seit Dezember letzten Jahres in Nazaré. Er ist Bootsbauer und eher zufällig in Nazaré vorbei gekommen. Dort hat er dann Jochen kennengelernt, der sich für seine in Nazaré überwinternde Bavaria JoJo schon seit langem eine feste Sprayhood gewünscht hat. Die beiden kamen ins Gespräch und Roman hat sich kurzerhand bereit erklärt, die feste Sprayhood über Winter zu bauen. In dieser Zeit konnte er dann auf der SY JoJo wohnen. Doch der Kontakt zu uns ließ noch etwas auf sich warten. Nicht am gleichen Steg zu liegen heißt auch, sich nicht oft zu begegnen.

Doch am 19. März, als die Marina diverse Livabords mit Starkstrom aus den Betten schreckte, wurden wir plötzlich zu Leidensgenossen.

Als unser Schiff zur Räucherkammer wurde, saß Roman gerade bei seinem Frühstückskaffee auf der SY JoJo, als plötzlich direkt neben seinem Kopf das Radio anfing, in Flammen auf zu gehen. Als er dann die Stromversorgung unterbrechen wollte, hat er gleich noch ordentlich eine gewischt bekommen.

Nachdem dann auf beiden Booten die Brände gelöscht waren, hatten wir uns natürlich viel zu erzählen. Und so kam es dann, dass Roman begann, seine Feierabende zu uns auf die THO kokkino zu verlegen.

Vor ca. 2 Wochen hieß es dann für Jochen, den Eigner der SY JoJo, aufbrechen Richtung Mittelmeer. Die Sprayhood war noch nicht ganz fertig, ein Teil der Fenster musste noch eingepasst und montiert werden und der letzte Anstrich war auch noch nicht getan. So ist Roman also kurzerhand mit Jochen bis zur Algarve mitgesegelt und hat derweil die Sprayhood fertiggebaut. Der Abschied ist uns schwergefallen, doch gewissermaßen war auch ein Wiedersehen in Sicht.

Roman im "Auge des Orca" in Nazaré
Roman im „Auge des Orca“ in Nazaré
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Wir haben Roman, der eigentlich nun wieder nach Deutschland will, angeboten, dass er mit uns nach Cuxhaven segeln kann. Das dauert zwar etwas länger, als sich in den Flieger zu setzen, doch dafür ist man auf dem Boot unterwegs und kann unterwegs noch so Einiges sehen und erleben.

Roman war von dieser Option recht angetan und ist nun tatsächlich zurück nach Nazaré gekommen, um uns auf unserem Weg nach Deutschland zu begleiten. Wir freuen uns auf die gemeinsame Zeit. Ein paar Sachen sind zwar noch zu erledigen, bevor wir tatsächlich los können, doch diese sollten zu bewältigen sein, bis der nächste passende Wind uns beehrt.