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Abenteuer

Schwach soll der Wind heute sein. In Böen maximal 10 Knoten. Bei unserem Kurs gegen die vorherrschende Windrichtung ist uns das so unrecht nicht, insbesondere wenn wir längere Schläge machen wollen. Doch wie so oft kommt es anders als vorhergesagt. Wir sind nur wenige Stunden aus dem Hafen, da fängt es schon an zu blasen. Bald stehen 20 Knoten aus Nordnordwest auf der Uhr, Tendenz noch steigend. Meist schläft der Wind über Nacht wieder ein – nicht jedoch heute.  Aller Erfahrung entgegen nimmt der Wind über Nacht sogar noch zu. Hart am Wind müssen wir teils über 25 Knoten Wind aussteuern und kämpfen uns durch kurze, unangehme Atlantikwellen. Eine anstrengende Nacht, in der an Schlaf kaum zu denken ist.

Erst in den frühen Morgenstunden nimmt der Wind wieder ein wenig ab und wir können wieder etwas mehr Höhe laufen. Mit Motorunterstützung wollen wir hoch am Wind um das Cabo de Roca westlich von Lissabon herum. Doch nur wenige Meilen vor dem Kap sinkt plötzlich aus heiterem Himmel die Motordrehzahl, dann stirbt der Motor ab.

Wir wechseln fix auf unseren zweiten Dieselfilter, in der Hoffnung, so das Problem schnell beheben zu können. Tatsächlich springt der Motor auch gleich wieder an und läuft vollkommen normal. Allerdings nur etwa eine viertel Stunde, dann geht er auch auf dem neuen Dieselfilter wieder aus.

Bis zum nächsten erreichbaren Hafen sind es noch 13 Seemeilen. Der Wind fällt nun ausgerechnet auch immer nördlicher ein, was wir gerade jetzt, wo unser Kurs auf den Ausweichhafen Cascais ziemlich nördlich ist, gar nicht gebrauchen können. Und tatsächlich schläft er nun auch fast ein.

Unsere Geschwindigkeit sinkt auf etwa 1,5 Knoten und so dümpeln wir im Schneckentempo auf die Einflugschneise nach Lissabon zu, das östlich von Cascais liegt.

Glücklicherweise dreht der Wind wieder ein wenig zurück und frischt zumindest wieder etwas auf, so dass wir unter Fock doch erneut Kurs auf Cascais nehmen können. Wenigstens ist wenig Verkehr, denn mehr als leidlich Kurs halten ist nicht drin.

Am frühen Morgen sind wir dann vor der Hafeneinfahrt von Cascais. Ohne Motor und nur unter Segeln wollen wir kein Anlegemanöver in einer uns fremden Marina wagen.  Und so versuchen wir, die Marina zu erreichen. Doch wir erhalten keine Antwort. Wir versuchen es bei der Policia Maritima, doch auch diese antwortet nicht.

Vor der Hafeneinfahrt sehen wir ein Fischerboot bei der Arbeit. Wir können die beiden Fischer auf uns aufmerksam machen. Sie fahren zu uns herüber und fragen, ob sie uns helfen können. Wir haben unser Problem noch nicht richtig erklärt, da fixieren sie schon eine Leine zwischen unseren beiden Booten und schleppen uns die letzten Meter zum Hafen. Sie liefern uns direkt am Reception Pier ab. Das Timing ist super, denn kaum sind wir fest, da frischt der Wind nochmals auf und wir liegen ablandig. Nun wäre ein Anlegen selbst mit funktionierendem Motor anspruchsvoll geworden. Wir bedanken uns ganz herzlich bei den Fischern für ihre Hilfe, bevor diese wieder rausfahren und ihrer Arbeit nachgehen.

Am Reception Pier müssen wir nun erst einmal warten, bis die Marina anfängt zu arbeiten. Dann heißt es einchecken. Der Hafenmeister schleppt uns dann an unseren Liegeplatz. Dort angelangt, können wir es kaum erwarten, den Nachtschlaf nachzuholen. Genug Abenteuer für einen Tag. Zudem war die Überfahrt anstrengender als gedacht. Der Motor muss erst einmal warten. Sorgen machen wir uns keine – etwas Kapitales kann es kaum sein.

Leuchtturm Santa Marta Cascais
Punta de Santa Marta Cascais
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Cascais
Häuschen in Cascais
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Im Nordatlantik

Auf unserer Seekarte ist für unser Gebiet vermerkt, wir befänden uns im Nordatlantik. Beim Ablegen in Lagos merkt man davon nichts, weil wir von der Südküste Portugals noch ein wenig geschützt werden. Auf unserem Weg rund um das Kap Sao Vicente, dem südwestlichsten Punkt des europäischen Festlands vermerkt unser Pilotenhandbuch für unseren Kurs, wir sollten „rapidly deteriorating conditions“ erwarten. So setzen wir das Groß nur im zweiten Reff und die Fock. Bis zum Kap sind wir schnell unterwegs und es ist sogar gemütlich. Für die weitere Fahrt treffen dann die Aussagen des Pilotenhandbuchs zu.

Welle am Kap Sao Vicente
Kap Sao Vicente mit Wellengang
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Wir haben mehr als 20 Knoten Wind, was an sich nicht zuviel ist, aber der Schwell am Kap ist überaus ungemütlich und gegenan donnern wir immer mal wieder hart in die Wellen. Um das Kap herum kreuzen wir hart am Wind auf, was Geschwindigkeit kostet und den Seegang auch nicht angenehmer macht.

Steilküste Portugal
Portugiesische Steilküste
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Wir finden trotzdem noch Gelegenheit die spektakuläre Küste zu bewundern.

Am Abend wird es zunehmend besser und am Morgen machen wir bei ruhigem Wind in Sines fest. Wir sind sogar noch in der Laune für einen kleinen Stadtrundgang.

 

Sines vom Hafen aus
Sines mit Blick auf das Kastell
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Leinen los

Es braucht mal mehr, mal weniger, jedoch immer ein kleines bisschen Überwindung, die Leinen zum Ablegen zu lösen. Von Marlis und Bert von der SY Heimkehr haben wir gelernt, dass man den Vorgang des Ablegens auch „Komfortzone verlassen“ nennen kann, weil man sich von „(…) Freunden, Strom, Wasser, warmen Duschen, Restaurants und Supermarkt“ löst.

Thomy von der SY Tochida aus Messolonghi hat einmal vor gleichem Hintergrund überspitzt formuliert: “ Ein Segeltag ist ein verlorener Hafentag.“ Soweit würden wir nun nicht gehen.

Jedenfalls sind wir länger in Lagos geblieben als ursprünglich beabsichtigt. Neben Strom, Wasser, warmen Duschen, Restaurants und Supermarkt waren wir uns auch mit Rücksicht auf Wind und Wetter nicht über die weitere Route im Klaren. An der portugiesischen Küste hat es derzeit beständigen Wind aus Nord. Das bedeutet Aufkreuzen am Wind. Raus zu den Azoren und von da mit einem langen Schlag nach England wäre die Alternative. Aber rund um die Azoren, um den Kern des Azorenhochs herum, hat es nur schwache Winde. Und am Ende eines langen Schlages von Portugal raus, dann noch womöglich tagelang zu den Azoren motoren zu müssen, das reizt uns nicht.

Wir haben uns dann heute entschieden, es mit der portugiesischen Küste zu versuchen. Ziel ist erstmal Sines in ca. 80 sm Entfernung.

Felsen und Grotten bei Lagos
Klippen bei Lagos
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln