Die nächste Nachtfahrt folgt auf dem Fuße. Unser guter Freund und viel beschäftigter Rentner Hermann, der uns zuletzt in Rom die lange Wartezeit auf den Motor zeitweilig verkürzt hat, hat es tatsächlich geschafft, sich eine Woche „Urlaub“ freizuschaufeln. So müssen wir uns nun sputen, rechtzeitig nach Palma de Mallorca zu kommen, um ihn dort einzusammeln.
Nachdem uns die Marina Menorca mit ihrem Modern-Industrial-Style nicht sonderlich zugesagt hat, sind wir auch gar nicht traurig darüber, unseren Aufenthalt auf Menorca etwas abzukürzen.
So nehmen wir unsere nächste Etappe nach Porto Colom auf Mallorca in Angriff – 61 Seemeilen. Nach den 205 Seemeilen von Sardinien nach Menorca kommt uns das fast wie ein Klacks vor. Da wir es vorziehen, sowohl bei Tageslicht abzulegen, als auch bei Tageslicht wieder anzulegen, wollen wir die Nacht für die Fahrt nutzen.
Tagsüber ruhen wir uns aus und bevor es dunkel wird, legen wir ab. Nachts zu fahren hat den Vorteil, dass von den ganzen Charterern und Segelurlaubern nichts zu sehen ist. Das Meer ist quasi wie leergefegt und wir können in aller Ruhe den Sternenhimmel über uns beobachten. Auch der kühle, wenn auch meist schwache, Nachtwind ist weitaus angenehmer als die sengende Hitze bei Tage. Und das Beste des Ganzen: Wenn wir morgens in den nächsten Hafen einlaufen, brechen die Charterer gerade zu ihrer nächsten Tagestour auf und wir haben Platz.
In Porto Colom ergattern wir so einen der wenigen Plätze im kleinen Stadthafen, der zentraler gelegen und dabei und deutlich günstiger als der ortsansässige Club Nautico ist. Die nächste Etappe nach Palma werden wir wohl auf die gleiche Art und Weise zurücklegen.
Im Hafen von Menorca ist uns eine knallgelbe Ketsch aufgefallen. Bei näherer Augenscheinnahme stellen wir fest, dass es sich um eine Hanseat Kommodore handelt. Wir hatten seinerzeit auf der Suche nach einem Boot auch einmal eine Hanseat Kommodore ins Auge gefasst. Das Boot hat sehr gefällige Linien. Und es wurde – kleiner Anflug von Lokalpatriotismus – bei uns ganz in der Nähe, nämlich auf der Asmus Werft in Glückstadt, erbaut.
Der Besitzer dieser knallgelben Kommodore ist wahrscheinlich auch ein Lokalpatriot, denn als Heimathafen führt die „Clemens B.“ die weltbekannte See- und Hafenstadt Köln. Übrigens ist das Boot zu verkaufen. Wer also eine Ketsch für Langfahrt sucht, hätte hier die Gelegenheit.
Seit Tagen beobachten wir die Wettervorhersage. Wir wollen nach Menorca aufbrechen und für diese etwas längere Strecke von gut 200 Seemeilen wollen wir keinen Gegenwind. Nun sollen für mindestens 4 Tage Winde aus östlicher Richtung wehen. Die verschiedenen Wetterdienste sind sich zwar wie immer nicht ganz einig, doch darin, dass der Wind aus östlichen Richtungen kommen soll, stimmen sie immerhin überein.
Früh morgens legen wir ab. Wir kalkulieren mit einer Fahrtzeit von 50 Stunden im Minimum und wollen möglichst im Hellen auf Menorca ankommen. Um die Nordspitze Sardiniens müssen wir noch motoren, denn die Durchfahrt aufs offene Meer hinaus, wir nehmen die Fornelli Passage, ist ziemlich flach und sollte exakt gesteuert werden.
Aber die Fornelli Passage zeigt sich uns von ihrer schönsten Seite, ruhige See und türkises Wasser. Vor lauter Gucken muss man wirklich aufpassen, den Kompass und die vorgeschriebene Kurslinie nicht aus den Augen zu verlieren.
Nach wenigen Meilen liegt Sardinien hinter uns und es erwartet uns ein Nordwestwind. Immerhin lässt sich dieser segeln und wir können endlich einmal unsere Aries Windsteueranlage ausprobieren. Nachdem sie einmal eingestellt ist, hält sie gut Kurs und wir können uns entspannt im Cockpit zurücklehnen. Leider bleibt es nur bis gegen Abend so angenehm. Dann nimmt der Wind immer mehr ab und wird zu schwach, als dass die Windfahne noch etwas mit ihm anfangen könnte. Wir müssen selbst wieder Ruder gehen und es dauert nicht lange, bis die Segel nicht mehr ziehen.
Pünktlich zum Sonnenuntergang nehmen wir die Segel runter und fahren unter Motor weiter in der Hoffnung, dass der Wind bald wieder auffrischen wird. Die Windrichtung ist bei 0-1 Knoten Wind nahezu undefinierbar, doch in der Tendenz scheint er tatsächlich gen Ost zu drehen. Hinter uns geht der Mond auf und der Wind bleibt schwach – an Segeln nicht zu denken.
Als es in der Nacht nicht besser wird, gönnen wir uns und dem Motor kurzerhand eine Pause und lassen uns treiben, um uns ein wenig auszuruhen. Dank der Flaute werden wir in dieser Zeit nicht einmal groß vertrieben. Der Ostwind wird zwar mit den Stunden immer stabiler, doch leider nicht stärker. Somit muss der Motor wieder ran. Den Autopiloten vermissen wir diesmal kaum. Ist das Ruder erst einmal eingestellt, läuft die THO beinahe von allein nach Kurs. Gelegentlich ist ein kurzes Korrigieren von Nöten, doch das ist auch schon alles.
Als sich der Wind endlich wieder auf zumindest 4 Knoten hochgearbeitet hat, versuchen wir unser Glück nochmals mit der Fock. Vielleicht zieht sie ja wenigstens noch ein bisschen mit. Doch das Ergebnis überzeugt nicht. Wir machen etwa 0,1 Knoten mehr Fahrt, müssen dafür aber beständig Acht geben, dass uns das Segel nicht einfällt oder ungewollt die Seite wechselt. Doch ein Versuch war es wert.
Am zweiten Abend auf See offenbart sich uns ein blinder Passagier: eine Libelle. Immer wieder startet sie kleine Rundflüge, doch so weit weg von Land kommt sie lieber immer wieder zu uns zurück und entspannt sich auf unserem Seezaun. Ein schöner Anblick.
Ein paar Mal können wir in einiger Entfernung Delfine beobachten – leider zu schnell für unsere Kamera. Die spannendste Tierbeobachtung der Fahrt jedoch ist ein springender Mantarochen, der neben uns ins Wasser platscht. Ein faszinierender Anblick, der leider viel zu schnell vorbei war.
Die zweite Nacht in der Flaute wird etwas zäh. Beide sind wir nun recht müde. So gönnen wir uns, wie in der Nacht davor, zwischendurch eine kleine Pause und lassen uns treiben.
Am Morgen liegen nur noch die letzten 30 Seemeilen vor uns, doch diese ziehen sich hin. Die Küste ist bereits in Sicht, wir können Mahón quasi bereits sehen, und doch dauert es noch einmal 6 Stunden, bis wir im Hafen ankommen.
Nach dem Anlegen unternehmen wir gleich einen kleinen Rundgang Richtung Stadt. Eine gute Entscheidung. Ganz anders als in Rom, Korsika oder Sardinien hat nämlich der große Supermarkt hier sonntags geschlossen und wir wären bei dem Versuch nachzubunkern morgen gescheitert, wenn wir diesen Gang verschoben hätten. Nun haben wir für die nächsten Tage alle Möglichkeiten und können uns eine schöne Ankerbucht suchen.