Kurs aufs Leben

Dieses Wochenende herrscht Ausnahmezustand in Nazaré. Am ersten Sonntag im Mai wird hier jährlich der „Dia do Homem do Mar“, der Tag der Fischer, gefeiert.

Dia do Homem do Mar Nazaré
Prozession durch Nazaré
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Fischerboot-Modelle beim Dia do Homem do Mar
Modelle der Fischerboote bei der Prozession durch Nazaré
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Bereits gestern wurden in einer Prozession verschiedene Heilige und Modelle von Fischerbooten durch den Ort getragen, begleitet von Trommeln und Blasmusik. Der Verkehr stand still oder wurde umgeleitet.

Madonna-Statue beim Dia do Homem do Mar
Madonna-Statue bei der Prozession durch Nazaré
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Trommlernachwuchs in Nazaré
Trommler bei der Prozession durch Nazaré
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Und heute ist nun das Treiben auf den Hafen verlegt. Die Fischer sind mit ihren Familien da, schmücken ihre Boote festlich, grillen, feiern und bereiten sich darauf vor, am Nachmittag die Heiligenstatuen auf ihren Fischerbooten durch die Bucht von Nazaré zu fahren.

Pérola da Nazaré geschmückt
festlich geschmücktes Fischerboot Pérola da Nazaré
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Zé, einer der Fischer, lädt uns ein, ihn und seine Familie mit in die Bucht zu begleiten. Da sagen wir natürlich nicht nein und finden uns am 15.30 Uhr bei seinem kleinen Fischerboot „Rumo a Vida“ (zu deutsch: Kurs aufs Leben) ein.

Doch es wird 16 Uhr, es wird 16.30 Uhr, und noch immer wird der Startschuss nicht gegeben. „Die Madonna verspätet sich“, heißt es. Und ohne sie kann es natürlich nicht losgehen. Wir fragen uns, ob sie nach dem langen Marsch am Vortag vielleicht neues Make Up braucht. Das kann bei manchen Damen der Schöpfung ja bekanntlich gelegentlich etwas dauern.

Um 16.45 Uhr rollen die Heiligen dann langsam in einer langen Reihe von Limousinen an und werden, von Vertretern der Kirche begleitet, auf die Boote gebracht. Gegen 17 Uhr kann es dann endlich losgehen. Die Maschinen der Fischerboote werden gestartet, die Hupen betätigt und die Familien an Bord gebeten. Wir staunen nicht schlecht, wie viele Personen jeweils auf eines der kleinen Fischerboote passen. Oftmals drängen sich mehr als 20 Leute auf ein Boot.

Dia do Homem do Mar in Nazaré
geschmückte Fischerboote im Hafen von Nazaré
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Fischerboot Rumo a Vida am Dia do Homem do Mar in Nazaré
Unterwegs mit dem Fischerboot Rumo a Vida
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Dann wird abgelegt und die Fischer tuckern in einer langen Reihe aus dem Hafen hinaus, hinüber in die Bucht von Nazaré. Der Wind bläst ordentlich, die kleinen Boote schwanken in den Wellen, doch alle scheinen Seebeine zu haben und genießen die Fahrt durch die Bucht.

Hafeneinfahrt Nazaré am Dia do Homem do Mar
Hafeneinfahrt Nazaré am Dia do Homem do Mar
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

In der Bucht selbst ankert zur Feier des Tages ein Küstenkreuzer der portugiesischen Marine und die Besatzung winkt und präsentiert die Geschütze.

portugiesischer Küstenkreuzer
Küstenkreuzer der portugiesischen Marine in der Bucht von Nazaré
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Companheiro de Deus
Fischerboot Companheiro de Deus Nazaré
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Drei Runden drehen wir in den Booten durch die Bucht, dann geht es zurück in den Hafen. Auch wenn wir nicht selbst gefahren sind, so gibt es im Anschluss das eine oder andere Anlegerbier und wir lassen den Tag gebührend ausklingen.

Dia do Homem do Mar in der Bucht von Nazaré
Dia do Homem do Mar in der Bucht von Nazaré
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Fahrt durch die Bucht von Nazaré
Bucht von Nazaré am Dia do Homem do Mar
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
geschmücktes Fischerboot am Dia do Homem do Mar
geschmücktes Fischerboot an der Hafeneinfahrt Nazaré
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

…dann hat es BUMM gemacht

Während wir darauf warten, endlich eine Reaktion der Versicherung zu erhalten, Primern wir schon einmal unser Unterwasserschiff, um eine gute Grundlage für das frische Antifouling zu schaffen. Außerdem bessern wir ein paar Stellen am Rumpf und am Wasserpass aus, wo die Farbe bereits ein wenig abgeblättert ist. Wir fühlen uns fast ein wenig wie in Griechenland, als wir im Sommer 2014 unser Schiff neu gestrichen haben. Auch die Temperaturen spielen mit. Endlich haben wir wieder T-Shirt-Wetter.

Unterwasserschiff mit frischem Epoxy-Primer
geprimertes Unterwasserschiff
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Derweil können wir beobachten, dass wenigstens einer der Reifen des Trailers, auf dem unser Boot zur Zeit steht, Übermüdungserscheinungen zeigt. Auf der Oberfläche des Reifens hat sich eine Art Ei gebildet, der Reifen sieht unregelmäßig aus, ist auf der Innenseite gewölbter als auf der Außenseite.

Wir machen Alec von Nazaré Nautica, dem der Trailer gehört, darauf aufmerksam. Er sieht die Sache recht entspannt. Doch er lässt ein wenig die Luft aus dem Reifen und stellt sicherheitshalber einen Holzklotz unter die Reifenaufhängung. Nun könne nichts mehr passieren, meint er.

Heute morgen dann, Ulrike ist gerade am Frühstück bereiten und Stefan ist auf dem Werftgelände unterwegs, da tut es einen gewaltigen Knall. Es klingt, als hätte jemand eine mächtige Wumme abgefeuert. Die Erschütterung ist auf dem ganzen Schiff zu spüren. Eine Schüssel, die etwa zu 2/3 mit Wasser gefüllt ist, schwappt beinahe über. Dann ist es wieder ruhig.

Stefans erster Gedanke gilt dem Travellift, doch dieser steht unbeschadet an seiner Stelle. Auf der Suche nach der Ursache für den Knall, treffen wir uns dann vor unserem Schiff. Sogleich ist klar, was den Kanonenschuss gleichen Knall verursacht hat. Der strapazierte Reifen des Trailers ist regelrecht zerfetzt.

geplatzter Reifen
geborstener Reifen vom Trailer
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Der Knall war auf dem gesamten Gelände gut zu hören und so langsam versammelt sich nun die ganze Hafengemeinschaft an unserem Boot und bestaunt den geplatzten Reifen. Zum Glück wird der Trailer noch durch den Holzklotz gesichert und der zweite Reifen, der neben dem geplatzten sitzt, hält noch durch. Doch an den Stützen kann man erkennen, dass sich unser Boot bewegt hat, denn eine der Stützen ist ein Stück verrutscht.

geborstener Reifen
geplatzter Reifen
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Alec ist nach wie vor entspannt, befestigt die verrutschte Stütze neu und nimmt das Ereignis mit Humor. Und auch wir können bald einen Vorteil in dem geplatzten Reifen entdecken: die Schräglage, die unser Schiff aufgrund des abfälligen Geländes, auf dem wir stehen, hatte, ist nun leidlich ausgeglichen und wir stehen fast gerade.

Trailer mit geplatztem Reifen
Trailer mit geplatztem Reifen
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Ein Zimmer, Küche, Bad

Bei einer ersten kurzen Runduminspektion des Schiffes, dem sich auch Nuno, der Elektriker von Nazaré Nautica, und Roman, der Bootsbauer, der auf dem zweiten, am 19.03.2016 beschädigten Boot wohnt und arbeitet, anschließen, stößt vor allem unser Kiel auf großes Interesse.

Einen Schwenkkiel sieht man nicht alle Tage. Unsere THO ist noch klatschnass und das Meerwasser tropft noch kräftig, da stehen Nuno und Roman schon unter dem Schiff, um in den Spalt zu linsen und sich die Kielmechanik anzusehen.

Doch der Blick auf das Drahtseil und die Rollen, mit denen wir den Kiel manuell aufholen können, ist versperrt.

Ein Fisch liegt platt in der Öffnung. Er hat sich wohl unseren Kielkasten als sein zu Hause gewählt. Schlecht ist diese Wahl aus seiner Sicht sicher nicht. Fließend Wasser, Vollpension und Schutz vor großen Raubfischen garantiert. Neben Seepocken wachsen in dem nach unten hin offenen Kielkasten nämlich auch Miesmuscheln und sogar Austern. Wenn das mal kein Zimmer mit Luxusküche ist.

Auf den ersten Blick halten wir den Fisch für tot. Bewegungslos liegt er im Kielkasten. Roman und Nuno versuchen, ihn herauszuholen. Doch als sie ihn berühren, fängt er wild an zu zappeln. So ganz ohne Widerstand will er sein zu Hause nicht aufgeben.

Fisch auf dem Weg ins Wasser
Fisch auf dem Weg zurück ins Wasser
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Doch nach ein paar versuchen plumpst der Fisch dann in Romans ausgestreckte Arme und er trägt ihn die paar Meter zum Wasser. Kaum spürt er das Salzwasser um sich, da ist er auch schon verschwunden. So schnell haben wir noch keinen Fisch schwimmen sehen.

Wir drücken ihm die Daumen, dass er bald ein ebenso komfortables zu Hause findet, wie unseren Kielkasten, auch wenn das bestimmt keine leichte Aufgabe sein wird.