Alle Beiträge von Ulrike Engeln

Stille Post im Quintett

Handwerker, soweit wir es bisher haben beobachten können, scheinen hier in Italien, wie auch in Griechenland, immer mindestens im Duo, meist sogar im Trio zu arbeiten. Ein typisches Arbeitsteam besteht z.B. aus einem Senior, der die Arbeiten beaufsichtigt, aber – außer ggf. einer Endkontrolle – nicht selbst Hand anlegt, einem erfahreneren Mitarbeiter, der die Arbeiten hauptsächlich ausführt und zum guten Schluss einem ungelernten „Hilfsbremser“, der untergeordnete Tätigkeiten ausführt, wie zum Beispiel Werkzeug anzureichen.

Das führt manchmal zu fast skurrilen Situationen. Wenn etwa die Arbeit nahezu beendet ist und quasi nur noch das letzte Schräubchen reingedreht werden muss, dann kann es passieren, dass das Werkzeug die Hände wechselt und die letzte Schraube vom Hilfsarbeiter reingedreht wird. Für uns eine ungewohnte Art zu arbeiten, etwa in der gleichen Effizienzklasse wie Ostfriesen beim Glühbirne wechseln.

Gesprochen wird mit uns als Auftraggeber typischerweise „entlang der Befehlskette“. Meist spricht nur der Senior mit uns und erteilt dann dem Mitarbeiter Anweisung, was zu tun ist, und dieser wiederum tut desgleichen mit dem Hilfsarbeiter. Das alles noch verbunden mit der typischen Sprachbarriere; Spanisch ist hier wesentlich hilfreicher als Englisch.

Die Werft hier hat einen kaufmännischen Chef, einen Dispatcher, der die Leute zur Arbeit einteilt, und dann natürlich das obligate Arbeitstrio. Wir hatten bei Ausbau des Motors noch nach einem Kostenvoranschlag für einige kleinere Arbeiten gefragt. Zwischenzeitlich waren fast alle der Beteiligten deswegen hier an Bord, teils auch mehrfach. Heute hat uns der Chef der Werft dann mitgeteilt, dass ein Kostenvoranschlag nicht erstellt werden könne, weil die benötigten Teile nach entstehendem Aufwand abgerechnet werden müssten. Wir waren etwas verwundert, weil es hautsächlich um Stahlarbeiten geht (Lippklampe schweißen), wo keine Ersatzteile in dem Sinne benötigt werden. Stellt sich heraus: Der Kostenvoranschlag, der nicht erstellt werden kann, bezieht sich auf Arbeiten, die wir auch  gar nicht in Auftrag geben wollen.

Heimaturlaub

Nach monatelangem Hin und Her haben wir uns heute von unserem Motor getrennt. Allerdings ist es nur eine Trennung auf Zeit, bis er in Deutschland eine intensive Erneuerungskur hinter sich hat.

Unterwegs tönten aus dem Motorraum immer wieder seltsame Geräusche. Ungewöhnliche Klopfgeräusche und Vibrationen begleiteten uns auf den letzten Meilen nach Rom und so nahmen wir uns vor, unseren Aufenthalt in der Hauptstadt Italiens dazu zu nutzen, den Motor mal gründlich checken zu lassen.

Doch wenn man davon ausgeht, dass eine eventuell notwendige Reparatur in Rom sicher ein Kinderspiel sein wird, so ist das weit gefehlt. Unseren Motor, ein Mercedes OM 636, zauberte hier vor allem Fragezeichen in die Gesichter der Mechaniker. Der Motor wurde neben Mercedes-Modellen vor allem in Unimogs, Gabelstablern und in der Industrie verbaut. Auf Booten ist er jedoch eher unbekannt. So traute sich hier keiner, Hand an den Motor zu legen. Fragten wir direkt bei Mercedes-Fachwerkstätten, so brachen sie die Gespräche ab, sobald von einem Boot die Rede war.

Mit viel Geduld und Herumfragerei bekamen wir dann doch die ein oder andere Aussage zu den Wehwehchen unseres Motors, doch die Diagnosen waren eher widersprüchlich, wurden teils gegeben, ohne dass der Motor auch nur gelaufen war und waren nicht sonderlich hilfreich. Bei dem Versuch, dann für die notwendigen Arbeiten einen Kostenvoranschlag zu erhalten, wurde unsere Geduld erneut auf eine harte Probe gestellt. Unter drei Wochen war keine Aussage zu erhalten.

Nach dem ersten unverschämten Angebot wandten wir uns dann an verschiedene Unternehmen in Deutschland, die uns von Mercedes selbst empfohlen worden sind. Und siehe da, innerhalb kurzer Zeit haben wir ein Angebot für eine Motorrevision, dass deutlich unter den hiesigen Vorstellungen liegt, selbst mit Transportkosten.

Spezialknoten
Knotenkunstwerk
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Heute morgen war es dann soweit. Um 7.30 Uhr in der Früh wird die THO kokkino samt uns abgeholt und in die Werft gebracht. Beim Anlegen lernen wie die hier gebräuchliche Knotenkunst kennen. Ungewöhnlich, doch die Leinen halten. Zwei Mechaniker machen sich daran, alle elektrischen Kabel, die Kühlwasserleitung etc. vom Motor zu trennen. Das Kühlwasser wird dabei sachgerecht in die Bilge laufen gelassen und binnen kurzer Zeit springt unsere Bilgenpumpe an. Die gelbe Brühe läuft einfach ins Hafenbecken und keinen kümmert es. Nach drei Stunden Arbeit darf der Kran ran und hievt den Motor an Land. Mit einem etwas mulmigen Gefühl im Magen schauen wir zu. Raus sieht ja recht einfach aus, doch müssen alle Kabel, Schläuche und Verbindungen ja hinterher auch wieder dran.

Kühlwasser in der Bilge
Bilgenwasser
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Motorausbau
Kraftakt beim Motorausbau
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Doch jetzt haben wir erstmal etwa 4 Wochen Zeit, den Motorraum ausgiebig zu säubern und zu streichen und hoffentlich auch mal die ein oder andere Stahlarbeit erledigen zu lassen. Mit zwei Dinghis schleppen uns die Marineros motorlos wieder zu unserem Liegeplatz zurück und ab morgen können wir wieder mal unsere Farbtöpfe auspacken und unserem Stahlboot etwas Gutes tun.

Motor hängt am Kran
schwebender Motor am Kran
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Mann über Bord

Nicht zuletzt dank des stürmischen Wetters fungieren wir hier gelegentlich auch als eine Art „Stegwart“ oder „Marinero h.c.“.

Nach dem Relingssalat haben wir zwischendurch erneut ein Boot vor weiterem Schaden bewahrt. Der Eigner hatte wohl nach einem kurzen Ausflug mit seinem Boot dieses nicht weit genug mit der Mooringleine vom Steg gezogen. Folglich ist das Boot mehrfach und nicht eben sanft mit dem Heck auf den Betonsteg gekracht. Tja, in einem Match Betonsteg vs. Kunstoffboot steht der Gewinner von vorneherein fest. Wir haben dann mal wieder die Marineros alarmiert, die die Sache dann in Ordnung gebracht haben.

Stefan hat sich inzwischen auch schon als Feuerwehrmann betätigen dürfen. Direkt an der Hafenpromenade brannte ein Mülleimer lichterloh. Funkenflug und Segelboot ist auch nicht eben eine günstige Kombination. So hat Stefan sich fix einen Feuerlöscher gekrallt und somit seinen ersten „Brandeinsatz“ absolviert. Gewundert haben wir uns allerdings, wieso die reichlich vorhandenen Zuschauer (am Wochenende ist hier durchaus Trubel), dem Feuerchen nur tatenlos zugesehen haben.

Heute hatten wir nun unseren ersten „Mann über Bord“-Alarm. Wir hatten Hermann bei seinem Besuch hier erklärt, dass es durchaus problematisch ist, aus dem Wasser zu kommen, wenn man hier erstmal vom Steg bzw. vom Boot ins Hafenbecken gefallen ist. Die Betonstege sind so hoch, dass man sich daran nicht festhalten, geschweige denn selbst aus dem Wasser ziehen könnte. Und die meisten Boote sind am Heck so hoch gebaut, dass man sich daran ohne Badeleiter auch nicht herausziehen könnte (dazu gibt es einen keineswegs nur witzigen und unseres Wissens nach auf einer wahren Begebenheit beruhenden Film: „Open Water 2“). Jedenfalls standen wir heute Morgen auf unserem Boot als wir plötzlich laute Rufe hörten. Erst konnten wir die Quelle nicht identifizieren, aber dann sahen wir zu unserem Schrecken, dass am gegenüberliegenden Steg ein Mann im Wasser schwamm und zu uns herüber rief.

Wir sind dann losgespritzt: Ulrike ans Funkgerät und Stefan zum anderen Steg. Zwischendurch konnte Stefan noch zwei Marineros alarmieren. Als sie dann zu dritt am Steg waren, hatte sich die Sache Gott sei dank bereits geklärt. An der wirklich weit und breit einzigen Leiter, die an dem Betonsteg angebracht ist, hatte er es aus dem Wasser geschafft. Wie der Mann dahin gekommen ist, ist uns ein Rätsel – zwischen Bootsheck und Betonsteg durch zu schwimmen ist jedenfalls (s.o.) lebensgefährlich.

Weitere Einsätze als „Stegwart“ bzw. „Marinero“ brauchen wir nicht; unser Bedürfnis nach Kurzweil ist mehr als gedeckt…