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(Winter)Plätzchen packen

An der Oste ist es mittlerweile kalt, richtig kalt. Der erste Schnee ist bereits gefallen und über Nacht hat sich der Frost breitgemacht. Bäume und Gräser glitzern nur so in ihren Eiskristallkostümen. Das sieht zwar alles ganz malerisch aus, doch wir sind überhaupt nicht mehr an diese Temperaturen gewöhnt und frieren wie die Schneider.

Winteriche Oste
Winterliche Oste
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
geeister Grashalm
Grashalm im Eiskleid
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Bei diesem Wetter müssen wir endlich unsere THO kokkino von Cuxhaven nach Oberndorf bringen. Unser Steg ist noch immer belegt, doch wir müssen diese Strecke hinter uns bringen. Der Hafen in Cuxhaven ist eigentlich schon seit Ende Oktober geschlossen und in wenigen Tagen passt die Tide nicht mehr. Zudem wird es jeden Tag früher dunkel.

Jörg von der SY Nereide ist gerne bereit, uns auf unserer wohl letzten Fahrt für dieses Jahr zu begleiten. Er ist schon mehrfach in der Oste gefahren und kennt, im Gegensatz zu uns, die Flussmündung und die kleinen Besonderheiten des Flusses.

Wir fahren zusammen nach Cuxhaven, machen die THO klar zum Ablegen, tanken sicherheitshalber noch etwas Diesel nach und verabschieden uns gebührend von der Liegegemeinschaft Cuxhaven, die uns so herzlich aufgenommen und unser Boot in den letzten zwei Monaten im Auge behalten hat.

Auf der Elbe
Unterwegs auf der Elbe
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Um die Mittagszeit, pünktlich zu Niedrigwasser, legen wir ab in Richtung Ostemündung. Doch schon im Hafenbecken stellen wir fest: Der Strom ist uns noch nicht günstig gesonnen. Statt dass uns das auflaufende Wasser in die Elbe treibt und uns kräftig schiebt, haben wir den Strom gegen uns, und das nicht zu knapp. Unsere Geschwindigkeit, wenn man überhaupt davon reden kann, liegt zwischen 0,9 und 1,5 Knoten. Nach zwei Stunden haben wir noch immer Cuxhaven querab und die Tonnen des Fahrwassers scheinen keinen Meter näher zu kommen. Was wir in der Bretagne und im Englischen Kanal immer befürchtet haben, uns aber immer erspart worden ist, ereilt uns nun doch, auf der letzten Fahrt und bei Eiseskälte.

Ostemündung
Oste und Elbe
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Robben am Osteriff
Seehunde am Osteriff
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Nach guten zwei Stunden wird es mit dem Strom langsam besser, doch dafür rückt das nächste Problem näher: Die Dämmerung. Gegen 17.00 Uhr wird es mittlerweile dunkel. Wir haben gerade mal die Flussmündung erreicht, als wir auch schon die Sonne untergehen sehen können. Jörg schlägt vor, sich nach dem Ostesperrwerk mal nach alternativen Liegeplätzen für die Nacht umzusehen, denn bei Dunkelheit die unbeleuchtete, doch recht schmale Oste entlang zu fahren, erscheint uns nicht gerade die beste aller Ideen.

Unterwegs auf der Oste
Auf der Oste
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Doch nachdem wir das Sperrwerk passiert haben müssen wir feststellen, dass die Steganlagen entlang der Oste bereits alle abgebaut sind. Die einzige Möglichkeit bietet noch ein kleiner Fischersteg, doch der ist besetzt und das Fischerboot ist so hochbordig, dass wir dort schlecht längsseits festmachen können.

Sonnenuntergang auf der Oste
Sonnenuntergang an der Ostemündung
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

So fahren wir also notgedrungen weiter. Mittlerweile ist es ziemlich duster, nur der Mond wirft noch ein wenig Licht auf den Fluss. Mit Hilfe des Kartenplotters versuchen wir, uns immer brav an den Aussenkurven der Oste zu halten, da sie dort tiefer als in den Innenkurven ist. Kurz vor jeder Flussbiegung geht einer mit dem Handscheinwerfer nach vorne, damit wir nicht noch im Schilf landen, doch um einen Mann dauerhaft vorne zu postieren, ist es schlichtweg zu kalt.

Dann sehen wir endlich die gut beleuchtete Oberndorfer Klappbrücke vor uns. Sie wird extra für uns besetzt und geöffnet. Hinter der Brücke befindet sich dann der Anleger, an dem wir überwintern wollen. Wir drehen das Boot, um gegen den Strom anlegen zu können. Auf dem Schiff, das noch unseren Platz am Steg blockiert, steht sogar schon Hilfe bereit. Wieder mit Handscheinwerfer tasten wir uns langsam an das andere Schiff heran. Die Strömung bremst uns und wir lassen uns langsam Richtung Steg treiben. Beim Näherkommen stellen wir dann überraschend fest, dass es sich bei der helfenden Hand auf dem anderen Schiff um Barbara handelt, Jörgs Schwester. Sie hat uns schon seit einer guten Stunde erwartet und steht bereit, ihren Bruder abzuholen. Nachdem wir festgemacht haben gibt es erst einmal eine herzliche Begrüßung.

Vielen Dank Ihr beiden, für Eure Hilfe. Die letzte Fahrt in netter Gesellschaft zu machen, hat diese kalte Angelegenheit doch sehr versüßt.

In den kommenden Tagen sollen nun auch die letzten beiden Schiffe den Steg räumen und wir bekommen endlich Platz. Dann können wir unseren endgültigen Winterplatz einnehmen und die THO quasi winterfest machen. Doch erstmal liegen wir in Oberndorf und nachträglich betrachtet sind wir froh, nicht unterwegs noch ein Nachtlager aufgeschlagen zu haben.

Fanfare for the Common Man

Bevor wir in Borkum ablegen, hissen wir die Flaggen der von uns besuchten Länder. Unserer Meinung nach eine wirklich schöne Sitte der nach Hause kommenden Segler.

Flaggenparade
SY THO kokkino mit Flaggenparade nach Cuxhaven
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

 

SY Nereide beflaggt unterwegs
SY Nereide unter Flaggen unterwegs
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
SY THO kokkino unterwegs
THO kokkino beflaggt unterwegs
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Wir fahren noch mit ablaufendem Wasser aus dem Fahrwasser von Borkum, das immerhin ganze 11 Seemeilen lang ist, heraus und sind pünktlich zum mitlaufenden Strom am Ende des Fahrwassers. Schon im Fahrwasser können wir Segel setzen und kommen gut voran. Die SY Nereide segelt wieder treu an unserer Seite.

THO kokkino im Fahrwasser Borkum
SY THO kokkino im Fahrwasser Borkum mit entgegenkommendem Trawler
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

In der Abenddämmerung bei Gegenstrom müssen wir erneut eine Reede passieren. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis wir die Giganten hinter uns gelassen haben, doch dafür sieht es absolut beeindruckend aus, wie klein doch unsere Schiffe im Vergleich mit den großen Frachtern sind.

SY Nereide beim Queren der Reede Neue Weser
SY Nereide beim Queren der Reede Neue Weser Nord
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Mit dem nachfolgenden auflaufenden Wasser erreichen wir die Elbe. Das Timing ist perfekt, denn wir wollten auf keinen Fall die Elbe mit Gegenstrom befahren müssen. Der Gegenstrom im Fahrwasser der Elbe soll 4 Knoten betragen, was für uns bedeuten würde, dass wir keine Fahrt mehr machen würden.

Obwohl es mitten in der Nacht ist, herrscht auf der Elbe Rush Hour. Wir fahren so dicht wie möglich am Tonnenstrich, um den Frachtverkehr nicht zu behindern. Trotzdem werden wir auf beiden Seiten überholt und diverse Schlepper fahren sogar außerhalb des Fahrwassers, wo es schnell äußerst flach wird, an uns vorbei. Bei den vielen Lichtern ist volle Aufmerksamkeit gefordert.

So erreichen wir um drei Uhr in der Frühe Cuxhaven und suchen uns einen Platz bei der Liegegemeinschhaft Cuxhaven, einem kleinen Hafen am Steubenhöft. Nachdem sowohl die SY Nereide als auch die SY THO kokkino sicher am Steg vertäut sind, sind wir alle, trotz der späten Stunde, ziemlich aufgekratzt. Zusammen mit Barbara und Jörg gönnen wir uns erst einmal einen Anleger, Barbara spendiert leckeren Tinto aus ihren verbliebenen Vorräten aus Portugal. Es gibt noch eine kleine Revue – wir sind mit der Etappe zufrieden. Der Wind war okay und wir haben es sogar zwei Stunden schneller als gedacht nach Cuxhaven geschafft. Dann nutzen wir den verbleibenden Rest der Nacht, um noch ein wenig zu schlafen.

Am nächsten Morgen werden wir dann von Heiko, dem ersten Vorsitzenden der Liegegemeinschaft herzlich willkommen geheißen. Bei frischen Kaffee schnacken wir gemütlich. Die Atmosphäre in dem kleinen Hafen ist von Beginn an fast familiär und wir fühlen uns richtig wohl.

Da Barbara und Jörg von der SY Nereide bereits am folgenden Tag weiter wollen zu ihrem Liegeplatz in Geversdorf an der Oste, holen wir am Abend das Grillen nach, das wir schon auf Borkum ins Auge gefasst hatten.

Barbara und Ulrike starten einen ausgiebigen Einkauf. Grillfleisch und Salate werden besorgt. Des Weiteren gibt es Handkäse mit Musik – eine pfälzische Spezialität, die Barbara und Jörg bisher unbekannt ist. Zudem soll es eine selbstgemachte Sangria geben.

Die Liegegemeinschaft Cuxhaven stellt und uns ihren Grill zur Verfügung und wir machen uns gemütlich. Jörgs Frau Christa kommt vorbei und leistet uns beim Grillen Gesellschaft. Barbara hat eine Flasche Sekt besorgt, damit wir auf unsere Ankunft in Cuxhaven anstoßen können. So startet schon vor der Sangria ein lustiger Abend, der leider viel zu schnell zu Ende geht.

Am nächsten Tag heißt es dann Abschied nehmen von der Barbara und Jörg, deren Gesellschaft wir auf den letzten Etappen wirklich sehr genossen haben. Doch wir wollen auf jeden Fall in Kontakt bleiben und uns in den kommenden Wintermonaten besuchen.

Blister trocknen in Cuxhaven
SY Nereide und SY THO kokkino nach der Ankunft in Cuxhaven
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Wir hingegen verbringen den restlichen Tag mit aufräumen, Segel und Schiff waschen und Putzen. Am folgenden Tag wollen wir dann nach Oberndorf fahren und uns mal wieder dem liegengebliebenen Papierkram widmen, bevor wir nach Schweden weiterfahren.

Für den Abend werden wir in das Vereinshaus der Liegegemeinschaft eingeladen. Dort ist Stammtisch und die Belegschaft würde sich über ein paar neue Gesichter freuen. Da sagen wir natürlich nicht nein. Es wird ein lustiger Abend und unser guter Eindruck des kleinen Vereins wird erneut bestätigt.

Nach einer vorerst letzten Nacht auf unserem Schiff, dass uns nun über 2 Jahre beheimatet und sicher von Messolonghi/Griechenland bis nach Cuxhaven gebracht hat, bleibt uns nur noch, die Polster hochzustellen, um alles gut zu hinterlüften und den Niedergang abzuschließen. Dann geht es nach Oberndorf.

Es ist ein seltsames Gefühl, wieder in einem Auto zu sitzen und an der Oste entlang zu fahren. Alles ist bekannt und doch irgendwie fremd.

So stellen wir erst einmal die Taschen in der Wohnung ab und nutzen das sommerliche Wetter, noch eine Runde mit Stefans Spitfire zu drehen. Unser erster Weg führt uns nach Geversdorf. Mal sehen, ob Barbara und Jörg noch an Bord der SY Nereide sind. Doch leider ist die Nereide abgeschlossen und liegt verlassen am Steg. Naja, so muss ein Wiedersehen mit den beiden noch etwas Warten.

Am Abend tun wir dann das, was uns unterwegs mit am Meisten gefehlt hat: Musik laut und auf einer guten Anlage zu hören. Wir entdecken unsere Schätze auf CD neu und genießen die Klänge von Händel, Herbie Hancock, The Blues Company, und zum krönenden Abschluss Emerson, Lake & Palmer mit ihrer „Fanfare for the Common Man“.