Abschied von der Bretagne

Eigentlich wollten wir in Roscoff nur einen Zwischenstopp von 2-3 Tagen machen. Doch dann haben wir erst Ostwind bekommen, mit dem wir nun wirklich absolut gar nichts anfangen konnten, dann folgten unangenehme Regentage, nass und kalt, die einen auch nicht gerade zum Segeln verlockten und anschließend trudelten immer mehr nette Segler in den Hafen, mit denen man gerne Erfahrungen austauschte und ins Schwatzen kam. Alles Gründe, immer noch einen Tag im Hafen anzuhängen und die Zeit ein bisschen zu vergessen.

Roscoff Leuchtturm
Leuchtturm in Roscoff
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Außerdem ist der Ort Roscoff auch wirklich schön. Leicht mittelalterlich angehaucht. Und der kleine Stadthafen ist absolut schnuckelig. Wir überlegen kurz, ob wir uns nicht in diesen verholen wollen, doch bei Niedrigwasser läuft der gesamte Hafen leer und alle Schiffe liegen auf dem Trockenen. Da bleiben wir doch lieber in der Marina.

Stadthafen Roscoff
Stadthafen von Roscoff mit Ankerfeld
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Kanal zwischen Roscoff und der Ile de Batz
Einfahrt zum Kanal zwischen Roscoff und der Ile de Batz
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Unsere nächste Etappe wird beide Seiten der Strömungen beinhalten, nicht nur den angenehmen, mitlaufenden Strom, sondern auch den gegensetzenden. 3-4 Knoten Gegenstrom sind im Englischen Kanal keine Seltenheit und so graut uns ein wenig davor, dann möglicherweise alle 6 Stunden fast auf der Stelle zu stehen.

Doch zwischen Roscoff und Cherbourg liegen nur noch Häfen, die nur bei Hochwasser angelaufen und vor allem wieder verlassen werden können. Die Zufahrten zu den Häfen fallen bei Niedrigwasser trocken und die Häfen selbst werden durch eine Barre geschützt, damit das Wasser bei ablaufendem Wasser im Hafenbecken bleibt. Wir brauchen jedoch das auflaufende Wasser, um die mitlaufende Strömung nutzen zu können, müssten also bei Niedrigwasser starten. Somit müssen wir notgedrungen einen längeren Schlag nach Cherbourg von 122 Seemeilen ins Auge fassen. Wir kalkulieren mit 4 Knoten Durchschnittsgeschwindigkeit und 30 Stunden Fahrtdauer.

Nach einem herzlichen Abschied am Nachmittag von Christa und Hartmut von der SY Luft und Liebe, die ihr Schiff im Winter in der Bretagne lassen wollen, um im Frühjahr eine bessere Startposition Richtung Süden zu haben und von Barbara und Jörg von der SY Nereide, die witzigerweise in unserem Nachbardorf in Deutschland wohnen und ebenfalls auf dem Weg nach Hause sind, machen wir uns auf den Weg.

Kurz hinter der Hafeneinfahrt können wir Segel setzen. Der Wind ist etwas stärker als angekündigt, doch das bedeutet für uns vor allem, dass wir zügiger voran kommen als gedacht.

Der mitlaufende Strom hat noch nicht eingesetzt, sondern unterstützt uns erst knapp 2 Stunden später. Dafür bleibt er uns dann beinahe 8 Stunden erhalten, weil wir mit dem Strom in die gleiche Richtung fahren und er in Cherbourg etwa 3 Stunden später einsetzt als in Roscoff. So befinden wir uns bereits östlich der Kanalinseln, bis uns der mitlaufende Strom verlässt.

Es ist mitten in der Nacht und nun wird die Etappe zäh. Wind setzt gegen Strom und wir arbeiten uns mit 2,5 Knoten langsam Cherbourg entgegen. Glücklicherweise schläft der Wind ausnahmsweise nicht wie gewöhnlich über Nacht ein, sondern bleibt uns die ganze Strecke über erhalten.

Sonnenaufgang auf See
Sonnenaufgang auf See vor Cherbourg
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Pünktlich zum Sonnenaufgang kippt der Strom erneut und wir werden wieder schneller. Am frühen Nachmittag haben wir dann Cherbourg vor uns. Nach nur 22 Stunden können wir im Hafen von Cherbourg festmachen. Statt einen Schnitt von 4 Knoten, können wir einen Schnitt von 5,5 Knoten verbuchen und sind somit ganze 8 Stunden schneller gewesen, als gedacht – damit sind wir mehr als zufrieden und gönnen uns erst einmal ein bisschen Schlaf.

Basilique Sainte-Trinité Cherbourg
Basilique Sainte-Trinité Cherbourg
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Photo-Session im Chenal du Four

Auch wenn Camaret sur Mer ein wirklich nettes kleines Örtchen ist, so zieht es uns nun langsam weiter. Da die gesamte französische Atlantikküste stark von Gezeiten und Strömungen beeinflusst wird, planen wie die nächste Etappe so, dass wir möglichst für die gesamte Strecke mitlaufenden Strom haben.

Camaret sur Mer liegt ein paar Meilen innerhalb der Bucht von Brest. So lassen wir uns mit ablaufendem Wasser aus der Bucht herausziehen, um dann, wenn die Tide kippt, außerhalb der Bucht zu sein. So haben wir dann, wenn wir wieder Kurs Nord setzen können, mitlaufenden Strom.

An der Küste nordwestlich der Bucht von Brest liegen mehrere Inseln, doch zwischen den Inseln und dem Festland verläuft ein schmaler Kanal, der Chenal du Four. Durch diesen wollen hindurch, um nicht um all die Inseln herum fahren zu müssen, was die Strecke doch um Einiges verlängern würde.

Leuchtturm Le Four im Chenal du Four
Leuchtturm Le Four im Chenal du Four
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Bei richtiger Berechnung der Strömung sei es schwer möglich, im Chenal du Four weniger als 6 Knoten zu machen, erzählt man uns. Und tatsächlich fahren wir mit bis zu 7,7 Knoten durch den Kanal, nur mit Motor, denn der Wind ist zu schwach zum Segeln. Normalerweise würden wir unter Motor nur etwa 4,5 Knoten Fahrt machen – wir wollen uns gar nicht ausmalen, wie langsam wir sein würden, wenn wir den Strom gegenan hätten…

THO kokkino im Chenal du Four
SY THO kokkino im Chenal du Four
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Während unserer Fahrt durch den Kanal stößt Christoph mit seiner SY Infinite Loop nochmals zu uns. Er hat die vergangene Nacht bereits auf einer der Inseln vor Anker verbracht. Nun treffen wir uns zu einer kleinen Photo-Session im Kanal. Schließlich sind Photos vom eigenen Schiff unterwegs immer heißbegehrt. Die Sonne schenkt uns ein schönes Lächeln und blauen Himmel dazu.

Infinite Loop im Chenal du Four
SY Infinite Loop im Chenal du Four
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Dann trennen sich Christoph und unsere Wege wieder. Christoph bleibt bei den Inseln, während wir weiter nach L`Aber Wrac`h fahren.

Ankerlieger im Fluss von Aber Wrac`h
Ankerlieger im Fluss von L`Aber Wrac`h
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

L`Aber Wrac`h liegt in einem kleinen Flüsschen. Da wir so schnell durch den Chenal du Four hindurch gekommen sind, haben wir bei unserer Ankunft in L`Aber Wrac`h sogar noch zwei Stunden mitlaufenden Strom. Wenn die Unterstützung durch den Strom auf den weiteren Etappen genauso gut funktioniert, würden wir uns wirklich freuen .

Steinreihen von Lagat-Jar

Ein wenig außerhalb von Camaret sur Mer befinden sich die Steinreihen von Lagat-Jar.

Steinreihen von Lagatjar bei Camaret sur Mer
Steinreihen von Lagat-Jar bei Camaret sur Mer
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Diese Steinreihen umfassen heute noch 72 Menhire, besser bekannt als Hinkelsteine. Ursprünglich sollen es mal etwa 400 dieser Riesensteine gewesen sein.

Steinreihen von Lagatjar
Steinreihen von Lagat-Jar
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Menhire der Steinreihen von Lagatjar
Menhire der Steinreihen von Lagat-Jar
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Bei schönstem Wetter machen wir einen kleinen Ausflug, um uns die Steinreihen anzusehen. Die Steine sind in einem Feld aufgestellt und die Reihen sind deutlich zu erkennen. Der ein oder andere Stein sieht wirklich aus, als wäre er einem Asterix-Comic entsprungen.

Menhir der Steinreihen von Lagat-Jar
Hinkelstein in den Steinreihen von Lagat-Jar
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Steinreihen von Lagatjar
Steinreihen von Lagat-Jar
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Doch die meisten Steine sind eher klein und gehen in dem hohen Gras des Feldes beinahe unter. So dauert es auch nicht lange, bis eine nahe gelegene Ruine unsere Aufmerksamkeit erregt. Vier verfallene Türme ragen hinter einem Hügel hervor. So machen wir uns auf den Weg über den Hügel. Dort erwartet uns die alte Villa de Saint-Pol-Roux.

Villa de Saint-Pol-Roux
Türme der Villa de Saint-Pol-Roux
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Ruine der Villa de Saint-Pol-Roux
Ruine der Villa de Saint-Pol-Roux bei Camaret sur Mer
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Ruine der Villa de Saint-Pol-Roux bei Camaret sur Mer
Ruine der Villa de Saint-Pol-Roux
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Tafel zur Villa de Saint-Pol-Roux
Beschreibung Villa de Saint-Pol-Roux in Camaret sur Mer
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Der Ausblick von der Villa auf das Meer schlägt uns dann richtig in seinen Bann. Wir stehen oberhalb einer traumhaften Bucht, an deren Ende der Leuchtturm vom Pointe du Toulinguet prangt und können uns gar nicht satt sehen.

Le Rocher du Lion und Leuchtturm am Pointe du Toulinguet
Le Rocher du Lion und Leuchtturm am Pointe du Toulinguet
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Wir genießen den Blick auf das heute friedliche, strahlend blaue Wasser, die Inseln und Felsen, an denen wir bei unserer nächtlichen Ankunft in Camaret sur Mer, ohne sie sehen zu können, nur anhand von blinkenden Lichtern vorbei navigiert sind, und die Hinkelsteine sind fast vergessen.

Leuchtturm am Pointe du Toulinguet
Leuchtturm am Pointe du Toulinguet
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln