Wir haben seit gestern wieder starke bis stürmische Winde, gestern mit Regen heute dagegen in Verbindung mit strahlendem Sonnenschein. Da es aus östlichen Richtungen weht, werden wir bei stärkeren Böen immer mal wieder auf den „großen weißen Plastikfender“, der neben uns liegt, gedrückt. Das ist, da wir auch gut ausgefendert haben, nicht nur kein Problem sondern eher praktisch. Wenn der Winddruck zu stark wird, nehmen wir so indirekt die Mooringleinen unseres Stegnachbarn mit in Anspruch. Genieren müssen wir uns deswegen nicht, bei dem Wind ist das nahezu unvermeidbar.
Paradoxerweise hat der starke Wind unserem Nachtschlaf eher gut getan. Die Leinen nach Backbord sind durch den Winddruck quasi ständig straff durchgesetzt. In den Tagen zuvor, war es teilweise recht windarm und trotzdem stand noch eine kleine Welle im Hafenbecken. Dann werden die Leinen immer mal wieder entlastet, um dann in der nächsten Welle ein bisschen einzurucken. Das produziert mehr Lärm im Schiff, als wenn die Leinen, wie jetzt, ständig durchgesetzt sind. Der Preis dafür, dass wir heute so ausgeschlafen sind, ist allerdings, dass unsere Leinen mehr strapaziert werden.
Wir haben von der Werkstatt bereits die Ankündigung bekommen, dass unser Motor Ende des Monats wieder an die Spedition zum Versand an uns übergeben wird. Wir machen uns daher bereits Gedanken über unsere weitere Route.
Wir wollen nach derzeitigem Stand im Herbst einen Liegeplatz in NL oder in D nehmen, so dass wir drei Optionen für unsere Route haben:
Wir könnten zum einen außen rum über Gibraltar und die Biskaya segeln. Das würde bedeuten, dass wir im Sommer an der portugiesischen Küste entlang nordwärts segeln müssten. Unsere diversen Handbücher vermelden dazu: „Winds in spring and summer are mostly from the north, and this tends to set up a continous south-flowing surface drift. Heading north is an exhausting struggle.“ „Making the passage northwards is tedious.“ Irgendwie klingt es für uns nicht so reizvoll, wenn man immer mit Sonnenaufgang, wenn der Wind noch nicht so stark bläst, unter Motor nordwärts tuckern muss, um dann unter der gebotenen Beachtung von Schwell aus dem Atlantik und der Tide rechtzeitig zur Mittagszeit über eine Sandbarre in den Hafen oder auf einen Ankerplatz schlüpfen muss, damit man nicht draußen von starken Nordwind oder – noch schlimmer – auflandigem Seewind erwischt wird…
Bleiben als Alternativen zwei Routen durch die Kanäle, nämlich durch die Rhone und die Saone direkt nach NL oder D oder aber durch den Canal du Midi und den Canal Lateral a la Garonne in die Biskaya. Im ersten Falle rechnen wir mit etwa 40 Tagen Motorfahrt durch die Kanäle und im zweiten Falle sind es auch noch etwa 20 Tage. Nicht eingerechnet etwaige Tage für Landgang, Sight Seeing und Entspannung. Und wir müssten den Mast legen und ggf. den Geräteträger abbauen. Zumindest im Canal du Midi werden wir mit dem Geräteträger nicht unter flachen Brücken durchfahren können. Und zudem hat Ulrike auch schon klar gemacht, dass durch die Kanäle motoren für sie nicht die erste Präferenz wäre.
Tja, es ist schwierige Routenplanung und Entscheidung für uns.
Nach monatelangem Hin und Her haben wir uns heute von unserem Motor getrennt. Allerdings ist es nur eine Trennung auf Zeit, bis er in Deutschland eine intensive Erneuerungskur hinter sich hat.
Unterwegs tönten aus dem Motorraum immer wieder seltsame Geräusche. Ungewöhnliche Klopfgeräusche und Vibrationen begleiteten uns auf den letzten Meilen nach Rom und so nahmen wir uns vor, unseren Aufenthalt in der Hauptstadt Italiens dazu zu nutzen, den Motor mal gründlich checken zu lassen.
Doch wenn man davon ausgeht, dass eine eventuell notwendige Reparatur in Rom sicher ein Kinderspiel sein wird, so ist das weit gefehlt. Unseren Motor, ein Mercedes OM 636, zauberte hier vor allem Fragezeichen in die Gesichter der Mechaniker. Der Motor wurde neben Mercedes-Modellen vor allem in Unimogs, Gabelstablern und in der Industrie verbaut. Auf Booten ist er jedoch eher unbekannt. So traute sich hier keiner, Hand an den Motor zu legen. Fragten wir direkt bei Mercedes-Fachwerkstätten, so brachen sie die Gespräche ab, sobald von einem Boot die Rede war.
Mit viel Geduld und Herumfragerei bekamen wir dann doch die ein oder andere Aussage zu den Wehwehchen unseres Motors, doch die Diagnosen waren eher widersprüchlich, wurden teils gegeben, ohne dass der Motor auch nur gelaufen war und waren nicht sonderlich hilfreich. Bei dem Versuch, dann für die notwendigen Arbeiten einen Kostenvoranschlag zu erhalten, wurde unsere Geduld erneut auf eine harte Probe gestellt. Unter drei Wochen war keine Aussage zu erhalten.
Nach dem ersten unverschämten Angebot wandten wir uns dann an verschiedene Unternehmen in Deutschland, die uns von Mercedes selbst empfohlen worden sind. Und siehe da, innerhalb kurzer Zeit haben wir ein Angebot für eine Motorrevision, dass deutlich unter den hiesigen Vorstellungen liegt, selbst mit Transportkosten.
Knotenkunstwerk CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Heute morgen war es dann soweit. Um 7.30 Uhr in der Früh wird die THO kokkino samt uns abgeholt und in die Werft gebracht. Beim Anlegen lernen wie die hier gebräuchliche Knotenkunst kennen. Ungewöhnlich, doch die Leinen halten. Zwei Mechaniker machen sich daran, alle elektrischen Kabel, die Kühlwasserleitung etc. vom Motor zu trennen. Das Kühlwasser wird dabei sachgerecht in die Bilge laufen gelassen und binnen kurzer Zeit springt unsere Bilgenpumpe an. Die gelbe Brühe läuft einfach ins Hafenbecken und keinen kümmert es. Nach drei Stunden Arbeit darf der Kran ran und hievt den Motor an Land. Mit einem etwas mulmigen Gefühl im Magen schauen wir zu. Raus sieht ja recht einfach aus, doch müssen alle Kabel, Schläuche und Verbindungen ja hinterher auch wieder dran.
Bilgenwasser CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan EngelnKraftakt beim Motorausbau CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Doch jetzt haben wir erstmal etwa 4 Wochen Zeit, den Motorraum ausgiebig zu säubern und zu streichen und hoffentlich auch mal die ein oder andere Stahlarbeit erledigen zu lassen. Mit zwei Dinghis schleppen uns die Marineros motorlos wieder zu unserem Liegeplatz zurück und ab morgen können wir wieder mal unsere Farbtöpfe auspacken und unserem Stahlboot etwas Gutes tun.
schwebender Motor am Kran CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln