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Von der Badewanne in den Ententeich

Gut geschützt im Hafen von Boulogne sur Mer haben wir abgewartet, bis ein recht beeindruckendes Tief durch den Englischen Kanal gezogen ist. Bis zu 9 Windstärken sollte das Tief mit sich bringen, die sich dann durch die engste Stelle zwischen Dover und Calais zwängen. Dazu sollten Wellen mit guten 4 Metern kommen; auch nicht gerade angenehm.

Sturmwarnung
Sturmwarnung für den Englischen Kanal
Quelle: Metoffice.gov.uk

Auf dem Laptop haben wir beobachtet, wie sich immer mehr Felder um England, den Kanal und die französische Nordküste rot einfärbten und waren froh, im Hafen zu liegen.

Dann ist der Spuk vorbei und wir können weiter. Die Wettervorhersage ist gut. Doch kaum haben wir die Hafeneinfahrt hinter uns, müssen wir feststellen, dass von dem vorhergesagten Wind nichts zu merken ist. Es herrscht fast Flaute, der wenige Wind kommt aus Nord statt aus Südost. Doch auffrischen soll der Wind sowieso erst gegen Abend – mal sehen, ob er noch zu unseren Gunsten dreht.

Cap Gris-Nez
Kap Gris-Nez
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Immerhin haben wir den Strom mit uns und fahren so gute 7 Knoten. Nachdem wir dann das Kap Gris-Nez passiert haben, gesellt sich auch langsam der Wind zu uns. Es reicht gerade so, um Segel setzen zu können. Doch sobald der Strom kippt, sind wir um jedes bisschen Geschwindigkeit dankbar.

Die See ist platt wie eine Badewanne. Kaum zu glauben, dass am Tag zuvor noch 4 Meter Welle geherrscht haben sollen. So segeln wir ruhig und gemächlich in die Nacht, vorbei an den Klippen von Dover, die man auf unserer Backbordseite gerade noch so erkennen kann.

Klippen von Dover
Blick auf die Klippen von Dover
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Auf unserer Strecke erwarten uns vier Verkehrstrennungsgebiete und drei Reeden, die wir zum Großteil in der Nacht passieren. Für die Verkehrstrennungsgebiete ist die späte Uhrzeit ein Vorteil, denn der Verkehr hält sich in Grenzen. Die Reeden hingegen sind anspruchsvoll. Ein Meer aus Lichtern liegt jeweils vor uns und es ist gar nicht so einfach zu erkennen, wo das eine Schiff anfängt und das andere aufhört. Es herrscht die reinste Festbeleuchtung auf den Frachtern – die 5th Avenue in New York wäre sicher stolz auf solch eine Weihnachtsbeleuchtung. Die Lichter sind so dicht, dass hintereinander liegende Frachter quasi bündig in einander übergehen.

festlich beleuchtete Frachter in der Westhinder Reede
festlich beleuchtete Frachter auf Reede bei Zeebrugge
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Doch beim Näherkommen finden wir die Lücken zwischen den Frachtern und sind beeindruckt von der Größe der Schiffe. Ganz klein kommen wir neben ihnen vor. Umgekehrt scheint sich aber auch die wachhabende Belegschaft auf den Frachtern über den Anblick eines Segelbootes in ihren Reihen zu freuen, denn wir werden mit einem kräftigen Signalton aus dem Schiffshorn gegrüßt.

Westhinder Reede bei Nacht
Frachter auf Westhinder Reede bei Zeebrugge
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Der nächste Tag beginnt diesig. Erst recht spät lässt sich die holländische Küste erkennen. Nur wenige Segler gesellen sich zu uns. Am späten Nachmittag haben wir dann unser nächstes Ziel erreicht: Ijmuiden.

Der Tag ist zwischenzeitlich noch sehr sonnig und heiß geworden. Von den Stegen, Spuntwänden und Badeplattformen der Boote springen die Kids ins Wasser, um sich ein wenig im Hafenbecken abzukühlen.

Sprung von der Hafenmauer ins kühle Wasser
Sprung von der Hafenmauer Ijmuiden ins kühle Nass
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Doch nicht nur die Segelcrews suchen das kühle Nass, auch Enten tummeln sich im Hafenbecken und schwimmen um unser Boot herum. Der nächste Ententeich ist wohl zu weit, so dass sie mit dem Hafenbecken vorlieb nehmen.

schwarze Ente im Hafen
schwarze Ente im Hafen von Ijmuiden
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Ente im Hafenbecken
Ente im Hafenbecken von Ijmuiden
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Wir überlegen kurz, uns ebenfalls kurz abzukühlen, doch dann gewinnt der Wunsch nach Füße hochlegen die Oberhand; erstmal ankommen, alle weiteren Aktivitäten haben Zeit.

Fischreiher im Hafen von Ijmuiden
Fischreiher auf Fischfang im Hafen von Ijmuiden
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Zwei auf einen Streich

Nachdem die Etappe von Roscoff nach Cherbourg so gut gelaufen ist, entschließen wir uns rasch für einen weiteren längeren Schlag. In einem Rutsch wollen wir 108 Meilen weiter nach Dieppe. Am späten Nachmittag machen wir uns mit Niedrigwasser auf den Weg.

Bei Cherbourg ist der Gezeitenstrom besonders stark. So sind wir gute zwei Stunden mit etwa 8 Knoten unterwegs. Bis 8,66 Knoten arbeitet sich unsere Anzeige nach oben, leider haben wir die Kamera einen Moment zu spät gezückt.

8,47 Knoten Fahrt über Grund
8,47 Knoten Fahrt über Grund hinter Cherbourg
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Gezeitenstrom, wenn er mitläuft, ist eine tolle Sache; wir haben viel Spaß, mit dieser Geschwindigkeit vorwärts zu kommen. Wir hoffen nur, dass wir weit genug kommen, bevor der Strom kippt.

Sonnenuntergang im Englischen Kanal
Sonnenuntergang auf See
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Doch wieder kommen wir die ganze Strecke über gut voran und der Wind spielt mit. Genau genommen, sind wir zu schnell. Bereits nach 14 Stunden sehen wir die Hafeneinfahrt von Dieppe vor uns. Es ist stockfinster, der Mond ist bereits untergegangen und der Sonnenaufgang noch nicht in Sicht. Wir sind noch hellwach und haben gar keine Lust, die Segel runter zu nehmen und in den Hafen einzulaufen.

Spontan entschließen wir uns, einfach die nächste Etappe noch dranzuhängen und gleich nach Boulogne sur Mer weiter zu segeln. 50 Seemeilen haben wir nun noch vor uns, doch wenn der Gegenstrom weiterhin so schwach ist, schaffen wir die Strecke in knapp 10 Stunden.

Tatsächlich sehen wir am frühen Nachmittag die Hafeneinfahrt von Boulogne sur Mer vor uns. Bei der Ansteuerung wird es dann etwas ruppig. Die See ist kabbelig und wir schwanken, gemeinsam mit zwei anderen Schiffen, die gerade von England herüber kommen, langsam der Einfahrt entgegen. Nun merken wir den Gegenstrom doch. Langsam kämpfen wir uns in den Hafen.

Hafen von Boulogne sur Mer
Im Hafen von Boulogne sur Mer
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Der Hafen liegt in einem kleinen Flüsschen und nachdem wir einmal den Wellenbrecher hinter uns haben, wird es wieder ruhiger. Wir suchen uns ein Plätzchen und machen fest. Etwas müde gönnen wir uns das Anlegerbier und legen die Füße hoch.

altes Stadttor Boulogne sur Mer
Stadttor Boulogne sur Mer
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Erst am nächsten Tag machen wir einen kleinen Ausflug in die Stadt. Hat man erst einmal das alte Stadttor erreicht, findet man sich in einem gemütlichen kleinen Ort wieder, mit vielen Straßencafés, einem alten Belfried und einer beeindruckenden Basilika mit riesiger Kuppel. Man gewinnt beinahe den Eindruck, jemand hätte heimlich dem Petersdom seine Kuppel stibitzt.

Wir machen bei herrlichem Sonnenschein einen Rundgang auf der schattigen Stadtmauer und genießen die Aussicht.

Kuppel der Basilika Notre-Dame in Boulogne sur Mer
Basilique Notre-Dame-de-l`Immaculée-Conception de Boulogne sur Mer
Belfried Boulogne sur Mer
Belfried Boulogne sur Mer
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Abschied von der Bretagne

Eigentlich wollten wir in Roscoff nur einen Zwischenstopp von 2-3 Tagen machen. Doch dann haben wir erst Ostwind bekommen, mit dem wir nun wirklich absolut gar nichts anfangen konnten, dann folgten unangenehme Regentage, nass und kalt, die einen auch nicht gerade zum Segeln verlockten und anschließend trudelten immer mehr nette Segler in den Hafen, mit denen man gerne Erfahrungen austauschte und ins Schwatzen kam. Alles Gründe, immer noch einen Tag im Hafen anzuhängen und die Zeit ein bisschen zu vergessen.

Roscoff Leuchtturm
Leuchtturm in Roscoff
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Außerdem ist der Ort Roscoff auch wirklich schön. Leicht mittelalterlich angehaucht. Und der kleine Stadthafen ist absolut schnuckelig. Wir überlegen kurz, ob wir uns nicht in diesen verholen wollen, doch bei Niedrigwasser läuft der gesamte Hafen leer und alle Schiffe liegen auf dem Trockenen. Da bleiben wir doch lieber in der Marina.

Stadthafen Roscoff
Stadthafen von Roscoff mit Ankerfeld
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Kanal zwischen Roscoff und der Ile de Batz
Einfahrt zum Kanal zwischen Roscoff und der Ile de Batz
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Unsere nächste Etappe wird beide Seiten der Strömungen beinhalten, nicht nur den angenehmen, mitlaufenden Strom, sondern auch den gegensetzenden. 3-4 Knoten Gegenstrom sind im Englischen Kanal keine Seltenheit und so graut uns ein wenig davor, dann möglicherweise alle 6 Stunden fast auf der Stelle zu stehen.

Doch zwischen Roscoff und Cherbourg liegen nur noch Häfen, die nur bei Hochwasser angelaufen und vor allem wieder verlassen werden können. Die Zufahrten zu den Häfen fallen bei Niedrigwasser trocken und die Häfen selbst werden durch eine Barre geschützt, damit das Wasser bei ablaufendem Wasser im Hafenbecken bleibt. Wir brauchen jedoch das auflaufende Wasser, um die mitlaufende Strömung nutzen zu können, müssten also bei Niedrigwasser starten. Somit müssen wir notgedrungen einen längeren Schlag nach Cherbourg von 122 Seemeilen ins Auge fassen. Wir kalkulieren mit 4 Knoten Durchschnittsgeschwindigkeit und 30 Stunden Fahrtdauer.

Nach einem herzlichen Abschied am Nachmittag von Christa und Hartmut von der SY Luft und Liebe, die ihr Schiff im Winter in der Bretagne lassen wollen, um im Frühjahr eine bessere Startposition Richtung Süden zu haben und von Barbara und Jörg von der SY Nereide, die witzigerweise in unserem Nachbardorf in Deutschland wohnen und ebenfalls auf dem Weg nach Hause sind, machen wir uns auf den Weg.

Kurz hinter der Hafeneinfahrt können wir Segel setzen. Der Wind ist etwas stärker als angekündigt, doch das bedeutet für uns vor allem, dass wir zügiger voran kommen als gedacht.

Der mitlaufende Strom hat noch nicht eingesetzt, sondern unterstützt uns erst knapp 2 Stunden später. Dafür bleibt er uns dann beinahe 8 Stunden erhalten, weil wir mit dem Strom in die gleiche Richtung fahren und er in Cherbourg etwa 3 Stunden später einsetzt als in Roscoff. So befinden wir uns bereits östlich der Kanalinseln, bis uns der mitlaufende Strom verlässt.

Es ist mitten in der Nacht und nun wird die Etappe zäh. Wind setzt gegen Strom und wir arbeiten uns mit 2,5 Knoten langsam Cherbourg entgegen. Glücklicherweise schläft der Wind ausnahmsweise nicht wie gewöhnlich über Nacht ein, sondern bleibt uns die ganze Strecke über erhalten.

Sonnenaufgang auf See
Sonnenaufgang auf See vor Cherbourg
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Pünktlich zum Sonnenaufgang kippt der Strom erneut und wir werden wieder schneller. Am frühen Nachmittag haben wir dann Cherbourg vor uns. Nach nur 22 Stunden können wir im Hafen von Cherbourg festmachen. Statt einen Schnitt von 4 Knoten, können wir einen Schnitt von 5,5 Knoten verbuchen und sind somit ganze 8 Stunden schneller gewesen, als gedacht – damit sind wir mehr als zufrieden und gönnen uns erst einmal ein bisschen Schlaf.

Basilique Sainte-Trinité Cherbourg
Basilique Sainte-Trinité Cherbourg
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln