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Kabel-Jaul

Man höre und staune, die Versicherung hat sich in der vergangenen Woche gemeldet und bereit erklärt, zumindest den am 19. März an der Elektrik entstandenen Schaden zu bezahlen. Schnellstmöglich wollen sie nun eine Rechnung vorgelegt bekommen. Bei Papier scheinen sie es immer eilig zu haben, solange sie es nicht selbst produzieren müssen.

Also haben wir gleich Alec von Nazaré Nautica informiert und ihn gebeten, uns einen Elektriker vorbei zu schicken.

Nach einer erneuten, kurzen Inspektion an Bord, zusammen mit dem Elektriker Pedro, der sich die Sachlage an Bord selbst ansehen wollte, wurde dann dieser Samstag zum Arbeitstag auserkoren.

Mit einer der pünktlichsten Handwerker, die wir auf unserer Reise erlebt haben, beginnt Petro seine Arbeit an der Elektrik um 09.15 Uhr (vereinbart war 09.00Uhr).

Der verschmurgelte Bordanschluss im Cockpit verschwindet, die verbrannten Kabel werden gezogen und auf diesem Wege gleich neue eingezogen. Wir sehen die Kabel und fühlen beinahe die Schmerzen, die diese haben ausstehen müssen. Wir haben dicke, doppelt ummantelte 220 V Kabel und selbst diese sind an einigen Stellen bis zum Kupfer durchgeschmort.

verschmorte Rückseite des Fehlerschutzschalters
verschmorte Rückseite des FI-Schalters
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Dann verschwindet der alte Sicherungskasten. Auch dessen Rückseite ist stark verbrannt und auch an der Abdeckung kann man die Brandspuren deutlich sehen.

verschmorte Abdeckung des Sicherungskastens
verschmorte Abdeckung des Sicherungskastens
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
verschmorte Rückseite des Sicherungskastens
durchgeschmorter Sicherungskasten Rückseite
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Nachdem dieser Teil geschafft ist, kommt das längste Kabel an die Reihe. Dieses führt vom Sicherungskasten über die Pantry durch den Salon bis zu der Steckdose, an die das Batterieladegerät eingesteckt war. Unter Schieben und zerren bahnt sich das Kabel seinen Weg durch unsere Vorratskisten in den Salonbänken.

Pedro montiert eine neue Steckdose und verkabelt diese mit dem neuen 220 V Kabel.

Der Tag vergeht und unser Boot sieht aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Immer wieder müssen Staufächer ausgeräumt werden, damit Platz zum Kabel ziehen und verlegen entsteht oder eben neue Steckdosen montiert werden können. Wir wissen jedenfalls, dass unser Arbeitstag noch lange nicht zu Ende sein wird, wenn Pedro seinen Schraubenzieher und den Akkuschrauber niederlegt.

Am Abend ist das Schiff dann soweit, dass wir die neuen Kabel und Sicherungen austesten können. Pedro prüft vorab, ob an allen Steckdosen Strom anliegt, dann werden die Verbraucher eingesteckt.

Erster Kandidat: Der Kühlschrank. Er läuft. Was für eine Erleichterung. Seit dem 19. März hatten wir keine Kühlmöglichkeit mehr, was faktisch bedeutete, dass jeden Tag frisch eingekauft werden musste, da sich die Lebensmittel bei den Temperaturen hier sonst einfach nicht gehalten haben.

Als Nächstes geht es an unser eigentliches Sorgenkind: Das Batterieladegerät. Wir haben sowohl 12 V als auch 24 V an Bord und deshalb entsprechend ein Kombiladegerät. Die 12 V Batterien werden zusätzlich über Sonnenpanele geladen, doch die 24 V Batterien können wir nur über das Batterieladegerät laden, wenn der Motor nicht läuft.

Wir schließen das Batterieladegerät an, es brummt. Doch es dauert nur wenige Sekunden, dann springt erstmalig der neue Fehlerschutzschalter raus. Der Bordstrom ist wieder weg. Wir lösen nochmals die Verbindungen des Ladegeräts und schrauben sie neu fest. Dann starten wir einen neuen Versuch. Diesmal springt die Sicherung nicht raus. Wir prüfen die Ladespannung an den Batterien.

Die Ladespannung an den 12 V Batterien steigt und steigt. Als bei 16 V Ladestrom das Batterieladegerät immer noch nicht automatisch stoppt zu laden, schalten wir das Gerät manuell ab. Offensichtlich hat das Batterieladegerät bei dem Brand am 19. März selbst Schaden genommen und nicht nur seine Kabel. Laut dem Elektriker Nuno, der das Batterieladegerät bereits nach dem Brand untersucht und die Kabel ausgewechselt hatte, ist die Elektronik des Geräts beschädigt. Diese zu tauschen ist, wenn überhaupt möglich, sehr aufwendig und kostspielig, die Ersatzteile kaum zu bekommen. So muss nun wohl oder übel auch noch ein neues Ladegerät für die Batterien her. Wieder eine Rechnung, die an die Versicherung der Marina gehen wird. Doch auf eine Antwort von der Versicherung bezüglich des Ladegeräts werden wir hier nicht mehr warten, die Kommunikation ist einfach zu langwierig und wir wollen nun schnellstmöglich wieder ins Wasser und weitersegeln.

Kurs aufs Leben

Dieses Wochenende herrscht Ausnahmezustand in Nazaré. Am ersten Sonntag im Mai wird hier jährlich der „Dia do Homem do Mar“, der Tag der Fischer, gefeiert.

Dia do Homem do Mar Nazaré
Prozession durch Nazaré
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Fischerboot-Modelle beim Dia do Homem do Mar
Modelle der Fischerboote bei der Prozession durch Nazaré
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Bereits gestern wurden in einer Prozession verschiedene Heilige und Modelle von Fischerbooten durch den Ort getragen, begleitet von Trommeln und Blasmusik. Der Verkehr stand still oder wurde umgeleitet.

Madonna-Statue beim Dia do Homem do Mar
Madonna-Statue bei der Prozession durch Nazaré
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Trommlernachwuchs in Nazaré
Trommler bei der Prozession durch Nazaré
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Und heute ist nun das Treiben auf den Hafen verlegt. Die Fischer sind mit ihren Familien da, schmücken ihre Boote festlich, grillen, feiern und bereiten sich darauf vor, am Nachmittag die Heiligenstatuen auf ihren Fischerbooten durch die Bucht von Nazaré zu fahren.

Pérola da Nazaré geschmückt
festlich geschmücktes Fischerboot Pérola da Nazaré
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Zé, einer der Fischer, lädt uns ein, ihn und seine Familie mit in die Bucht zu begleiten. Da sagen wir natürlich nicht nein und finden uns am 15.30 Uhr bei seinem kleinen Fischerboot „Rumo a Vida“ (zu deutsch: Kurs aufs Leben) ein.

Doch es wird 16 Uhr, es wird 16.30 Uhr, und noch immer wird der Startschuss nicht gegeben. „Die Madonna verspätet sich“, heißt es. Und ohne sie kann es natürlich nicht losgehen. Wir fragen uns, ob sie nach dem langen Marsch am Vortag vielleicht neues Make Up braucht. Das kann bei manchen Damen der Schöpfung ja bekanntlich gelegentlich etwas dauern.

Um 16.45 Uhr rollen die Heiligen dann langsam in einer langen Reihe von Limousinen an und werden, von Vertretern der Kirche begleitet, auf die Boote gebracht. Gegen 17 Uhr kann es dann endlich losgehen. Die Maschinen der Fischerboote werden gestartet, die Hupen betätigt und die Familien an Bord gebeten. Wir staunen nicht schlecht, wie viele Personen jeweils auf eines der kleinen Fischerboote passen. Oftmals drängen sich mehr als 20 Leute auf ein Boot.

Dia do Homem do Mar in Nazaré
geschmückte Fischerboote im Hafen von Nazaré
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Fischerboot Rumo a Vida am Dia do Homem do Mar in Nazaré
Unterwegs mit dem Fischerboot Rumo a Vida
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Dann wird abgelegt und die Fischer tuckern in einer langen Reihe aus dem Hafen hinaus, hinüber in die Bucht von Nazaré. Der Wind bläst ordentlich, die kleinen Boote schwanken in den Wellen, doch alle scheinen Seebeine zu haben und genießen die Fahrt durch die Bucht.

Hafeneinfahrt Nazaré am Dia do Homem do Mar
Hafeneinfahrt Nazaré am Dia do Homem do Mar
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

In der Bucht selbst ankert zur Feier des Tages ein Küstenkreuzer der portugiesischen Marine und die Besatzung winkt und präsentiert die Geschütze.

portugiesischer Küstenkreuzer
Küstenkreuzer der portugiesischen Marine in der Bucht von Nazaré
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Companheiro de Deus
Fischerboot Companheiro de Deus Nazaré
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Drei Runden drehen wir in den Booten durch die Bucht, dann geht es zurück in den Hafen. Auch wenn wir nicht selbst gefahren sind, so gibt es im Anschluss das eine oder andere Anlegerbier und wir lassen den Tag gebührend ausklingen.

Dia do Homem do Mar in der Bucht von Nazaré
Dia do Homem do Mar in der Bucht von Nazaré
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Fahrt durch die Bucht von Nazaré
Bucht von Nazaré am Dia do Homem do Mar
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
geschmücktes Fischerboot am Dia do Homem do Mar
geschmücktes Fischerboot an der Hafeneinfahrt Nazaré
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

…dann hat es BUMM gemacht

Während wir darauf warten, endlich eine Reaktion der Versicherung zu erhalten, Primern wir schon einmal unser Unterwasserschiff, um eine gute Grundlage für das frische Antifouling zu schaffen. Außerdem bessern wir ein paar Stellen am Rumpf und am Wasserpass aus, wo die Farbe bereits ein wenig abgeblättert ist. Wir fühlen uns fast ein wenig wie in Griechenland, als wir im Sommer 2014 unser Schiff neu gestrichen haben. Auch die Temperaturen spielen mit. Endlich haben wir wieder T-Shirt-Wetter.

Unterwasserschiff mit frischem Epoxy-Primer
geprimertes Unterwasserschiff
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Derweil können wir beobachten, dass wenigstens einer der Reifen des Trailers, auf dem unser Boot zur Zeit steht, Übermüdungserscheinungen zeigt. Auf der Oberfläche des Reifens hat sich eine Art Ei gebildet, der Reifen sieht unregelmäßig aus, ist auf der Innenseite gewölbter als auf der Außenseite.

Wir machen Alec von Nazaré Nautica, dem der Trailer gehört, darauf aufmerksam. Er sieht die Sache recht entspannt. Doch er lässt ein wenig die Luft aus dem Reifen und stellt sicherheitshalber einen Holzklotz unter die Reifenaufhängung. Nun könne nichts mehr passieren, meint er.

Heute morgen dann, Ulrike ist gerade am Frühstück bereiten und Stefan ist auf dem Werftgelände unterwegs, da tut es einen gewaltigen Knall. Es klingt, als hätte jemand eine mächtige Wumme abgefeuert. Die Erschütterung ist auf dem ganzen Schiff zu spüren. Eine Schüssel, die etwa zu 2/3 mit Wasser gefüllt ist, schwappt beinahe über. Dann ist es wieder ruhig.

Stefans erster Gedanke gilt dem Travellift, doch dieser steht unbeschadet an seiner Stelle. Auf der Suche nach der Ursache für den Knall, treffen wir uns dann vor unserem Schiff. Sogleich ist klar, was den Kanonenschuss gleichen Knall verursacht hat. Der strapazierte Reifen des Trailers ist regelrecht zerfetzt.

geplatzter Reifen
geborstener Reifen vom Trailer
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Der Knall war auf dem gesamten Gelände gut zu hören und so langsam versammelt sich nun die ganze Hafengemeinschaft an unserem Boot und bestaunt den geplatzten Reifen. Zum Glück wird der Trailer noch durch den Holzklotz gesichert und der zweite Reifen, der neben dem geplatzten sitzt, hält noch durch. Doch an den Stützen kann man erkennen, dass sich unser Boot bewegt hat, denn eine der Stützen ist ein Stück verrutscht.

geborstener Reifen
geplatzter Reifen
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Alec ist nach wie vor entspannt, befestigt die verrutschte Stütze neu und nimmt das Ereignis mit Humor. Und auch wir können bald einen Vorteil in dem geplatzten Reifen entdecken: die Schräglage, die unser Schiff aufgrund des abfälligen Geländes, auf dem wir stehen, hatte, ist nun leidlich ausgeglichen und wir stehen fast gerade.

Trailer mit geplatztem Reifen
Trailer mit geplatztem Reifen
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln