Da wir nun schonmal vor den Toren Lissabons liegen, ist ein kleiner Ausflug in die Hauptstadt Portugals gewissermaßen ein Muss – allerdings ein angenehmes „Muss“.
Statt den Rio Tejo zu befahren, setzen wir uns einfach in die Metro und lassen uns nach Lissabon kutschieren. So können wir in aller Ruhe die Flusseinfahrt betrachten. Ganz ohne soll diese dank der Strömungsverhältnisse auch nicht sein. Einen Blick in die Häfen können wir auch werfen – sie sehen allesamt ziemlich voll aus. Wir liegen also in Cascais gar nicht mal schlecht.
Dann können wir unseren kleinen Stadtbummel starten. Lissabon bezaubert mit kleinen Gassen und netten Cafés, alten Kirchen und natürlich mit der kultigen Straßenbahn. Die Atmosphäre ist tatsächlich so, wie man sie aus diversen Filmen kennt. Wir fühlen uns in der Stadt spontan wohl und es ist geradezu bedauerlich, dass aufgrund eines bedeutenden Einwohnerschwundes in den vergangenen Jahren in vielen Straßen immer wieder verfallende Häuser zu finden sind.
Selbstverständlich hat Lissabon viel zu viel zu bieten für nur einen Tag. So fahren wir am Abend mit dem festen Vorsatz nach Cascais zurück, irgendwann mit mehr Zeit nochmals Lissabon zu besuchen.
Nachdem wir uns von der abenteuerlichen Überfahrt nach Cascais ein wenig erholt haben, kümmern wir uns um unseren Motor. Da der Motor auf dem zweiten Dieselfilter nochmals ganz normal angesprungen und gelaufen ist, sind wir ziemlich sicher, dass nichts Gravierendes vorliegt und wir das Problem selbst beheben können.
Der naheliegendste Gedanke ist, dass irgendwo Luft im System steckt. Alternativ könnte eine Kraftstoffzuleitung verstopft sein, so dass der Motor keinen Diesel bekommt.
Zuerst entlüften wir also die Einspritzpumpe, doch der Motor startet nicht. Wir schalten nochmals zwischen den Dieselfiltern hin und her, entlüften auch diese. Nichts passiert. Ein französischer Stegnachbar gesellt sich interessiert zu uns. Auch er ist der Meinung, dass vermutlich irgendwo im System Luft stecken muss. Es könnte aber auch an mit Bakterien verseuchtem Diesel liegen. Doch da wir beim Tanken immer darauf achten, an vertrauenswürdigen und gut besuchten Tankstellen zu tanken, halten wir diese Option für unwahrscheinlich. Der Franzose gibt uns den Tipp, die Kraftstoffzuleitungen von der Einspritzpumpe zum Motor zu öffnen, um dann zu schauen, ob die Pumpe an allen 4 Zuleitungen Diesel zum Motor fördert.
Tatsächlich stellen wir fest, dass an den hinteren zwei der vier Zuleitungen beim Starten des Motors Diesel kommt, bei den beiden vorderen jedoch nicht. Der Übeltäter scheint gefunden und nach nochmaligem gezieltem Entlüften der vorderen Kammer der Einspritzpumpe startet der Motor wieder. Um sicher zu sein lassen wir die Maschine ein wenig laufen. Der Motor schnurrt wieder wie ein Kätzchen und so können wir nun in aller Ruhe die nächste Etappe planen.
Schwach soll der Wind heute sein. In Böen maximal 10 Knoten. Bei unserem Kurs gegen die vorherrschende Windrichtung ist uns das so unrecht nicht, insbesondere wenn wir längere Schläge machen wollen. Doch wie so oft kommt es anders als vorhergesagt. Wir sind nur wenige Stunden aus dem Hafen, da fängt es schon an zu blasen. Bald stehen 20 Knoten aus Nordnordwest auf der Uhr, Tendenz noch steigend. Meist schläft der Wind über Nacht wieder ein – nicht jedoch heute. Aller Erfahrung entgegen nimmt der Wind über Nacht sogar noch zu. Hart am Wind müssen wir teils über 25 Knoten Wind aussteuern und kämpfen uns durch kurze, unangehme Atlantikwellen. Eine anstrengende Nacht, in der an Schlaf kaum zu denken ist.
Erst in den frühen Morgenstunden nimmt der Wind wieder ein wenig ab und wir können wieder etwas mehr Höhe laufen. Mit Motorunterstützung wollen wir hoch am Wind um das Cabo de Roca westlich von Lissabon herum. Doch nur wenige Meilen vor dem Kap sinkt plötzlich aus heiterem Himmel die Motordrehzahl, dann stirbt der Motor ab.
Wir wechseln fix auf unseren zweiten Dieselfilter, in der Hoffnung, so das Problem schnell beheben zu können. Tatsächlich springt der Motor auch gleich wieder an und läuft vollkommen normal. Allerdings nur etwa eine viertel Stunde, dann geht er auch auf dem neuen Dieselfilter wieder aus.
Bis zum nächsten erreichbaren Hafen sind es noch 13 Seemeilen. Der Wind fällt nun ausgerechnet auch immer nördlicher ein, was wir gerade jetzt, wo unser Kurs auf den Ausweichhafen Cascais ziemlich nördlich ist, gar nicht gebrauchen können. Und tatsächlich schläft er nun auch fast ein.
Unsere Geschwindigkeit sinkt auf etwa 1,5 Knoten und so dümpeln wir im Schneckentempo auf die Einflugschneise nach Lissabon zu, das östlich von Cascais liegt.
Glücklicherweise dreht der Wind wieder ein wenig zurück und frischt zumindest wieder etwas auf, so dass wir unter Fock doch erneut Kurs auf Cascais nehmen können. Wenigstens ist wenig Verkehr, denn mehr als leidlich Kurs halten ist nicht drin.
Am frühen Morgen sind wir dann vor der Hafeneinfahrt von Cascais. Ohne Motor und nur unter Segeln wollen wir kein Anlegemanöver in einer uns fremden Marina wagen. Und so versuchen wir, die Marina zu erreichen. Doch wir erhalten keine Antwort. Wir versuchen es bei der Policia Maritima, doch auch diese antwortet nicht.
Vor der Hafeneinfahrt sehen wir ein Fischerboot bei der Arbeit. Wir können die beiden Fischer auf uns aufmerksam machen. Sie fahren zu uns herüber und fragen, ob sie uns helfen können. Wir haben unser Problem noch nicht richtig erklärt, da fixieren sie schon eine Leine zwischen unseren beiden Booten und schleppen uns die letzten Meter zum Hafen. Sie liefern uns direkt am Reception Pier ab. Das Timing ist super, denn kaum sind wir fest, da frischt der Wind nochmals auf und wir liegen ablandig. Nun wäre ein Anlegen selbst mit funktionierendem Motor anspruchsvoll geworden. Wir bedanken uns ganz herzlich bei den Fischern für ihre Hilfe, bevor diese wieder rausfahren und ihrer Arbeit nachgehen.
Am Reception Pier müssen wir nun erst einmal warten, bis die Marina anfängt zu arbeiten. Dann heißt es einchecken. Der Hafenmeister schleppt uns dann an unseren Liegeplatz. Dort angelangt, können wir es kaum erwarten, den Nachtschlaf nachzuholen. Genug Abenteuer für einen Tag. Zudem war die Überfahrt anstrengender als gedacht. Der Motor muss erst einmal warten. Sorgen machen wir uns keine – etwas Kapitales kann es kaum sein.