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Mittelmeer ade

Langsam müssen wir mit Gezeiten und Strömungen agieren. Hochwasser in Gibraltar hat schon seit den letzten beiden Etappen Einfluss auf die Fahrt, die unser Schiff noch durchs Wasser macht. Parallel zum auflaufenden Wasser in Gibraltar kursiert dicht unter Land eine Art Gegenstrom, der für unsere Geschwindigkeit sehr günstig ist. Erwischen wir den Strom, machen wir zwischen 5,5 und 6 Knoten Fahrt, während wir außerhalb des Stroms bei auflaufenden Wasser in Gibraltar bis auf 3,3 Knoten heruntergebremst werden.

Mit unseren Mitseglern Mahena und Philipp wollen wir von Benalmadena direkt nach Gibraltar. Wenn wir den Strom erwischen, sind die 52 Seemeilen auch zu schaffen. Wir halten uns dicht unter Land, doch gut vorankommen sieht anders aus. 4,5 Knoten lassen uns über einen Alternativhafen nachdenken und als unsere Geschwindigkeit auf 3,5 Knoten absinkt, geben wir die Hoffnung auf, es bis Gibraltar zu schaffen. Wir ändern unseren Kurs weiter in nördliche Richtung, auf die Küste zu, nach Puerto Sotogrande.

Nach etwa 2 Stunden auf neuem Kurs, nimmt unsere Fahrt doch noch einmal zu. Langsam arbeiten wir uns von 5,3 auf 6 Knoten hoch. Offensichtlich haben wir den mitlaufenden Strom nun doch gefunden. Versuchsweise drehen wir erneut auf Kurs Gibraltar um zu sehen, ob die Geschwindigkeit nun gleich hoch bleibt. Tatsächlich machen wir weiter 6 Knoten, teils sogar mehr.

Mit Blick auf die Uhr rechnen wir uns unsere Chancen aus, Gibraltar noch am frühen Abend zu erreichen. Bis 20.30 Uhr müssen wir in der Marina sein, denn dann wird diese mit einer Barriere abgeriegelt. Bei gleichbleibender Fahrt haben wir etwa eine Stunde Luft nach hinten. Ganz schön knapp, der Strom darf uns jedenfalls nicht mehr verlassen.

Da wir jedoch den Felsen von Gibraltar bereits vor uns sehen können, wollen wir es risikieren. Es wäre doch zu ärgerlich, in Sichtweite von Gibraltar einen Alternativhafen wählen zu müssen.

Gibraltar
Felsen von Gibraltar
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Das Glück ist auf unserer Seite. Erst kurz bevor wir am Europa Point in die Bucht von Gibraltar einbiegen, lässt der Strom nach und wir schaffen es noch in den Hafen. 52 Seemeilen als Tagfahrt sind geschafft und das Mittelmeer liegt nun quasi hinter uns.

Windmagnet

Der nächste lange Schlag steht auf dem Programm. Alle Wettervorhersagen sind sich diesmal einig: die nächsten zwei Tage herrscht Ostwind. Gelegentlich soll dieser einen leichten südlichen Einschlag haben, aber im Prinzip ist Ostwind angesagt. Super für uns, deshalb wollen wir am Liebsten gleich bis Malaga bzw. Benalmadena segeln.

Mit kalkulierten 4 Knoten Fahrt die Stunde wären wir 41 Stunden unterwegs – so können wir uns mit dem Ablegen in Aguilas Zeit lassen und haben trotzdem genügend Puffer, um im Hellen anzukommen.

Nachdem wir Aguilas verlassen haben erwartet uns in der Tat guter Wind aus der richtigen Richtung. Wir setzen das Groß und die Fock und machen beinahe 6 Knoten Fahrt. Wenn das so bleiben würde, kämen wir sogar um eine zweite Nachtfahrt herum und würden Benalmadena noch am Vorabend in der Abenddämmerung erreichen können.

Doch wie so oft freuen wir uns zu früh und der Wind macht was er will. Noch vor dem Cabo de Gata dreht er wieder südlich und wir müssen zu viel Höhe kneifen. Bei jeder Wende, die wir fahren, um wieder etwas Abstand zum Kap zu gewinnen, scheint der Wind mit uns zu drehen. Kaum sind wir auf neuem Kurs, lässt sich dieser wieder nicht steuern, statt dessen scheint der alte Kurs wieder zu funktionieren. Nach drei Wenden haben wir die Faxen dicke und motoren um das Kap. Es wird bereits dunkel und bei  verringerter Sicht wollen wir an dem Kap keine Sperenzchen veranstalten. Sobald wir um das Cabo de Gata herum sind, sollten die Segel wieder stehen.

Wie schon beim Cabo de Palos passieren wir auch das Cabo de Gata mitten in der Nacht. Noch sind wir nicht richtig um das Kap herum, so dreht der Wind von Südsüdwest auf West, wieder genau gegen unseren Kurs. Anscheinend haben wir eine Art eingebauten Windmagneten. West war nun für heute überhaupt gar nicht vorhergesagt. Der Wind ist zwar wenigstens schwach und wir haben erstmal einen mitlaufenden Strom, der uns ein wenig schiebt, doch segeln können wäre uns allemal lieber.

Wir beobachten die Sache eine Weile. Noch machen wir mit 4,5 Knoten mehr Fahrt als ursprünglich kalkuliert. Doch im Laufe des Vormittags verringert sich unsere Fahrt auf 3,5 Knoten und der Gegenwind nimmt zu. Dieses Mal sind wir schlauer, hoffen wir zumindest, und entscheiden uns gleich für einen Alternativhafen, anstatt am ursprünglichen Plan festzuhalten. Marina del Este liegt noch etwa 40 Seemeilen vor unserem ursprünglichen Ziel Benalmadena und wir können den Hafen noch am späten Nachmittag erreichen. Beim Kurs nehmen Richtung Küste erleben wir erneut das gleiche Phänomen – der nächste Winddreher, wieder genau so, dass sich der direkte Kurs gerade nicht mehr segeln lässt. Wir hoffen, dass wir diese unkonstanten Winde bald hinter uns lassen können – Gibraltar ist ja quasi bereits in Sicht.

Puerto Marina del Este
Hafen von Marina del Este
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Schon von Weitem sieht der Hafen von Marina del Este eher klein aus und wir haben sicherheitshalber vorab nach einem Platz für unser Boot angefragt. Trotzdem müssen wir zuerst an den Wartesteg und bekommen erst dort einen Platz zugewiesen. Viele Liegeplätze für Gäste gibt es hier nicht. Der Hafen ist klein und eng, doch dafür malerisch schön, liegt in einer Art Kessel und ist von Hügeln umgeben. Die Aussicht ist mal wieder richtig toll. Hier lässt es sich sicher gut Abwarten, bis der Westwind vorüber ist. Spätestens am Sonntag Morgen soll der Wind wieder aus Ost kommen. Sagt die Wettervorhersage…

THO kokkino im Puerto Marina del Este
THO kokkino im Hafen von Marina del Este
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Ankerbucht Marina del Este
Ankerbucht bei Marina del Este
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Die THO wird kokkino

Das Rosa vom Morgen kann nicht lange glänzen. Die Farbe ist am Abend bereits soweit trocken, dass wir den zweiten Anstrich in Angriff nehmen können. Seltsamerweise brauchen wir beim zweiten Anstrich mehr Farbe als beim ersten. Eigentlich war die heimliche Hoffnung, dass wir etwas Farbe übrig behalten würden, als Ersatz sozusagen. Doch wir kommen mit unseren Vorräten genau hin, es bleibt kein Tropfen rote Farbe übrig.

Spätestens jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, kurz die Namensgebung unseres Bootes zu erläutern.

Der Erbauer des Bootes, Heinz Thonfeld, gab dem Schiff in den 80er Jahren den Namen „THO“, nach den ersten drei Buchstaben seines eigenen Nachnamens. Unter dem Namen „THO“ schipperte das Boot dann 22 Jahre durch die Karibik, bis es dann verkauft wurde.

Timm Garde, der zweite Eigner, behielt den Namen „THO“ bei, fügte aber noch ein „chica verde“ (grünes Mädchen) hinzu und verpasste dem Boot einen grünen Anstrich. Die „THO chica verde“ kam aus der Karibik nach Holland und später dann ins Mittelmeer.

Dort haben wir das Schiff im letzten Jahr entdeckt und gekauft. Eins stand jedoch von Anfang an fest: die grüne Farbe muss weg – und der Namenszusatz „chica verde“ somit auch. Schnell hatten wir uns auf die Farbe rot geeinigt; nicht, weil sie uns so gut gefällt, sondern vor allem wegen ihrer guten Sichtbarkeit. Schließlich wollen wir es vermeiden, von irgendeinem Frachter übersehen und plattgefahren zu werden. Das Rot soll uns dabei helfen.

Mit der Namensgebung taten wir uns dann etwas schwerer. Das „THO“ wollten auch wir von Anfang an beibehalten. Das Schiff fährt nun schon so lange unter diesem Namen, da hatten wir einfach das Gefühl, nicht das Recht zu haben, den Namen zu ändern. Auch bringt es angeblich – nicht dass wir abergläubisch wären – Unglück, ein Schiff umzutaufen. Nur „THO“ hingegen ist etwas kurz. Man stelle sich nur ein Funkgespräch vor. Egal, ob man gerufen wird oder selbst seinen Namen angibt, „THO“ neigt dazu, nicht verstanden zu werden. Was tun? Es gibt nicht viele Worte, die mit „THO“ anfangen und noch weniger, die im weitesten Sinne etwas mit Segeln, Seefahrt oder dem Meer zu tun haben. Die rettende Idee kam von Timm, dem Voreigner. Warum das Boot nicht „THO kokkino“ nennen. Kokkino ist griechisch und bedeutet rot. Der Bezug zu Griechenland ist da, schließlich haben wir das Boot dort gekauft und rot soll das Boot ja gestrichen werden. Uns halt die Idee gefallen und zudem klingt der Name gut im Ohr.

Nun ist die THO endlich kokkino. Zwar müssen wir immer noch das Unterwasserschiff streichen, doch schon jetzt sieht das Boot unseres Erachtens richtig gut aus.