Bewegung im Spiel

Wir sind kaum aus unserer Koje gekrochen und sitzen gemütlich beim Frühstückskaffee im Cockpit, da bemerken wir unseren Stegnachbarn Nathan, der mit ernster Miene unseren Schwimmsteg inspiziert. Direkt zur morgendlichen Begrüßung teilt er uns mit, dass sich unser Steg bewegt, deutlich mehr, als ein Schwimmsteg es tun sollte.

Sofort sind wir auf den Beinen und begutachten die Sachlage selbst. Wir haben zwar nur mäßig starken Wind, circa 25 Knoten, doch unser Steg scheint tatsächlich abzutreiben. Die SY Blue Calypso von Nathan und unsere SY THO kokkino sind zudem die beiden schwersten Boote am Steg und liegen beide am Ende. So verstärken wir die Hebelwirkung und bringen gemeinsam etwas Schwung in die Sache.

Sicherheitshalber starten sowohl Nathan als auch wir die Motoren unserer Boote, damit wir bei Bedarf den Steg ein wenig sichern oder steuern können.

Offenbar ist eine der Ketten gebrochen, die den Schwimmsteg am Grund halten und fixieren. Das Marina Office ist am Wochenende nicht besetzt, somit ist von dort mit keiner Hilfe zu rechnen. Doch wenigstens ist Alec gleich zur Stelle, der sich gerade einen eigenen Boatyard in Nazaré aufbaut und deshalb das notwendige Equipment zur Hand hat.

In einer Gemeinschaftsaktion mit allen Livaboards werden starke Leinen ausgebracht, die vom Fischerpontoon über den ersten Steg zum mittleren verlaufen und diese miteinander verbinden. Wir bekommen noch Unterstützung von zwei Jetski-Fahrern, die eigentlich zu den Surfern unterwegs waren. Sie bringen mit ihren Jetskis die Leinen vom Fischersteg zu den beiden Schwimmstegen, damit wir sie dort befestigen können. So ist der mittlere Steg, der zum Problemsteg geworden ist, erst einmal fixiert und notdürftig gesichert. Mit unseren Motoren im Doppelpack bringen Nathan und wir den Steg wieder in Position und straffen dann die Sicherungsleinen.

Jetski mit Sicherungsleine
Jetski transportiert die Leine zur Stegsicherung
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Zweite Leine zur Stegsicherung
Jetski mit zweiter Sicherungsleine
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Bis Montag müssen diese Leinen nun mindestens halten. Doch der Wind hat bereits nachgelassen und wir liegen wieder ruhig und entspannt, als wäre nichts passiert. Am Montag hingegen wird es wohl noch einmal turbulent. Immerhin haben wir mit den Sicherungsleinen mehrere Fischerboote „eingemauert“, die am Montag wieder ihrer Arbeit nachgehen wollen. Zudem muss ein Taucher organisiert werden, der eine neue Kette ausbringt. Wir sind schon gespannt, und beneiden den Taucher nicht, der in gut 7 Meter Wassertiefe schuften darf.

Leinenverbindung vom Fischersteg zum Schwimmsteg
Durch Leinen gesicherter Schwimmsteg in Nazaré
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Markieren der Leine mit Fendern
Markieren der Sicherungsleine mit Fendern
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
gesicherter Schwimmsteg
Leinensicherung vom Fischersteg zum Schwimmsteg in Nazaré
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Entmastet

Keine Angst, wir haben unseren Mast nicht verloren. Er steht noch dort, wo er hin gehört. Nur unser Stegnachbar Nathan vermisst seinen Besanmast. Doch auch er hat ihn nicht verloren, sondern er hat diesen Herbst dazu genutzt, seine beiden Masten zu tauschen. Der Besanmast liegt nun noch im Boatyard von Nazaré und wartet darauf, wieder an seinen Platz gestellt zu werden.

Da das Stellen des Mastes eine etwas hakelige Angelegenheit ist, und man sich bei solch einer Aktion über jede helfende Hand freut, hat er uns gebeten, dem Spektakel doch beizuwohnen und ggf. eine Hand zu reichen.

Also machen wir uns am frühen Morgen auf zum Boatyard, der quasi um die Ecke liegt und Nathan macht seine SY Blue Calypso am dortigen Pier fest.

Besanmast der SY Blue Calypso
Besanmast der SY Blue Calypso
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Mit einem kleinen Kran wird nun der bearbeitete Mast komplett mit allen Wanten etc. zum Boot gefahren. Dann beginnt bereits das Getüftel, wie man den Mast denn nun am Besten positioniert, um ihn an Deck zu heben.

Anheben des Besanmastes
Anheben des Besanmastes der SY Blue Calypso
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Nach einigem Hin und Her wird ein zweiter Kran zu Hilfe genommen, der den Besanmast anheben soll. Langsam, Zentimeter um Zentimeter wird der Mast nun in eine senkrechte Position gebracht und muss an den Stagen und Wanten des Hauptmastes vorbeidirigiert werden. Tatsächlich wird jede Hand benötigt, um dafür Sorge zu tragen, dass der Mast sich nirgends verhakt und die an ihm montierten Antennen, sowie das Radar und die in ihm verlaufenden Kabel kein Schaden nehmen.

Besanmast positionieren
Auspositionieren des Besanmastes über der SY Blue Calypso
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Nachdem der Mast leidlich in Position ist, kann er auf seinen vorgesehenen Platz herabgelassen werden. Nun müssen die Kabel durch die Öffnung im Deck, für die nun wirklich nicht viel Platz ist. Erneut ist Fingerspitzengefühl gefragt. Doch mit etwas Geduld und ein wenig Nachkorrigieren durch den Kran, steht der Mast bald wieder dort, wo er hingehört.

Stellen des Besanmastes
Stellen des Besanmastes mit zwei Kränen
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Nun müssen noch die Wanten gespannt werden, um den Mast zu sichern, dann ist zumindest die Arbeit im Boatyard erledigt. Nathan ist heilfroh, dass sein Schiff nun wieder „komplett“ ist und lädt uns, zurück auf seinem Liegeplatz im Hafen,  gleich auf ein wohlverdientes Bierchen ein.

SY Blue Calypso auf dem Rückweg zum Liegeplatz
SY Blue Calypso mit Besanmast
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Für uns war es eine interessante Erfahrung, beim Stellen eines Mastes dabei zu sein und mithelfen zu können. Doch im Nachhinein sind wir froh, dass es nicht unser Mast war und auch, dass wir damals im Mittelmeer uns gegen die Route durch die Kanäle entschieden haben, für die wir unseren Mast samt Geräteträger hätten legen müssen, um unter den Brücken hindurch fahren zu können. Auf jeden Fall hätten wir dafür jede Menge Blutdrucktabletten gebraucht.

Über den Dächern von Óbidos

Hélène und Andre von der SY Allegra gönnen sich einen Mietwagen, um für ein paar Tage das Umland von Nazaré zu erkunden. Sie laden uns ein, sie nach Óbidos zu begleiten. Óbidos ist eine kleine Stadt etwas südwestlich von Nazaré und bekannt für seine komplett begehbare Stadtmauer.

Unterwegs nach Obidos
Auf dem Weg nach Óbidos
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Wir lassen uns auch nicht zweimal bitten. Hélène wählt eine Querfeldeinstrecke, immer möglichst an der Küste entlang. So haben wir meist einen tollen Blick auf den Ozean und können die Küste betrachten, die wir auf unserem Weg nach Nazaré entlanggesegelt sind. Allerdings haben wir von dieser damals nichts gesehen, da wir dort mitten in der Nacht unterwegs waren.

Historisches Stadttor von Obidos
Historisches Stadttor von Óbidos
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Historischer Stadtkern Obidos
Historischer Stadtkern von Óbidos
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

In Óbidos angekommen schlendern wir erst ein wenig durch die engen historischen Gassen, die für Autos nahezu unpassierbar sind. Bei erster Gelegenheit erklimmen wir dann die Stadtmauer. Schilder mahnen zur Vorsicht – der Weg auf der Mauer ist komplett ungesichert. Kein Geländer, nicht einmal ein Seil. Der Weg ist zwar breit genug, um ihn gefahrlos zu beschreiten, doch bei Gegenverkehr muss man schon ein wenig Acht geben.

Auf der Stadtmauer von Obidos
Auf der Stadtmauer von Óbidos
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln
Stadtmauer Obidos
Unterwegs auf der Stadtmauer von Óbidos
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln

Wir umrunden den historischen Ortsteil einmal auf der Mauer und genießen den guten Blick von oben, weit ab von jedem Gedränge in den Gassen. Die Aussicht ist toll und eine Stadtmauer, die man so frei und komplett begehen kann, findet man wirklich nicht alle Tage. Leider kann man von oben aus auch gut erkennen, dass nur wenige Straßen für den Tourismus regelrecht aufgehübscht wurden, und in den angrenzenden Gassen bereits die Häuser verfallen und die Gärten verwahrlosen. Doch selbst das verleiht dem kleinen Ort noch einen gewissen Charme und wir sind froh, dass Hélène und Andre uns mitgenommen haben.

Obidos
Óbidos
CC BY-NC-SA 4.0 Ulrike & Stefan Engeln